Smog in Peking Chinesen trotzen "dicker Luft" mit Galgenhumor

Peking · Erstmals haben die Behörden in Peking wegen Smogs die höchste Alarmstufe ausgerufen. Die Bevölkerung spottet im Netz über die Regierung. Mit Witzen von der Sorte: "'Kommst du mit frühstücken?', fragt ein Pekinger seinen Freund. 'Nein, ich bin proppenvoll. Ich habe eine Stunde lang draußen geatmet.'"

Peking: Smog nimmt Menschen die Luft zum Atmen
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Smog nimmt Pekingern die Luft zum Atmen

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Foto: afp, ACW

Traditionell begrüßten sich Pekinger mit dem Satz "Hast du schon gegessen?". Er stand als Synonym für "Wie geht es dir?". Heute aber sagen sie zueinander: "Wie viele Ziegel Kohlenstaub hast du schon geschluckt?" Das ist einer von unzähligen Witzen, die auf den Websites und twitterähnlichen Mikroblogs Weibo und Weixin kursieren. Viele der 21 Millionen leidgeprüften Bürger in der Hauptstadt verschaffen sich auf diese Weise Luft. Zumindest ihrem Ärger und zumindest online, seit Peking wieder einmal im Smog versunken ist.

Bis Donnerstag hat die Stadtregierung wegen anhaltender, gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung den Ausnahmezustand mit erstmaliger Alarmstufe Rot für die Metropole ausgerufen. Das hat Folgen: Alle Kindergärten, Schulen und die 2100 Fabriken sind seither geschlossen. Nur die Hälfte der Autos dürfen fahren - mit täglich abwechselnder Erlaubnis auf Grundlage der geraden oder ungeraden Endnummern ihrer Kennzeichen.

"Warum sind die Straßen so voll wie immer?", fragt ein Mikroblogger und antwortet selbst: "Der Smog ist so dicht, dass die Polizei die Nummernschilder gar nicht lesen kann." Ein anderer Witz geht so: "Warum ist plötzlich die Luft wieder so sauber geworden? Weil Peking heute morgen von allen 21 Millionen Bewohnern verlangt hat: Macht die Fenster auf und holt mehrfach tief Luft."

"Duanzi" werden im Chinesischen solche Bonmots genannt. "Kommst du mit frühstücken?", fragt ein Pekinger seinen Freund. "Nein, ich bin proppenvoll. Ich habe eine Stunde lang draußen geatmet." Die meisten Bonmots sind voller Galgenhumor, andere dagegen bitterböse: "Früher brachten patriotische Überseechinesen bei ihrer Rückkehr ein Säckchen Heimaterde aus China mit. Jetzt brauchen sie sich nicht mehr abschleppen. Sie tragen Chinas Staub in ihrer Lunge nach Hause."

Spaß auf Kosten der Kommunistischen Partei

Duanzi sind oftmals schwer verständliche Anspielungen oder kaum übersetzbare Wortspiele mit chinesischen Schriftzeichen. Eines verhöhnt etwa den politischen Slogan der Kommunistischen Partei: "Dem Volke dienen". Er wird mit fünf Zeichen geschrieben "wei ren min fu wu". Doch ein Blogger hat das erste Zeichen "wei" durch ein lautgleich klingendes, aber anders geschriebenes "wei" (füttern) ersetzt, ebenso, wie auch das fünfte Zeichen "wu" durch ein anderes "wu" (Smog). So hat er dem Spruch der Kommunistischen Partei "Dem Volke dienen" eine neue Bedeutung gegeben: "Das Volk mit Smog füttern."

Immer wieder spießen die Blogger die schönfärberische Propaganda auf. Ein Witz geht so: Ein Reporter des CCTV-Staatsfernsehens befragt einschmeichelnd eine Frau: "Liebe Dame. Ist der Smog wirklich so stark, dass er sich auf Ihr Leben auswirkt?" Er möchte gerne "Nein" hören. Die Antwort allerdings lautet: "Aber wie! Sie können ja nicht einmal mehr erkennen, dass ich ein Herr bin."

Pekinger können bald aufatmen

Auch Witze aus früheren Smog-Lagen erwachen zu neuem Leben. So die Klage eines Touristen, der auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens steht. Er schimpft: "Was für ein Smog! Ich kann das große Mao-Porträt nicht sehen, das am Tor des Himmlischen Friedens hängt." Sagt sein Begleiter: "Jammer nicht. Ich kann Mao nicht mal mehr auf meinem Geldschein erkennen." Auf allen chinesischen Geldscheinen ist ein Porträt des Staatsgründers abgedruckt.

Auch das nationale Meteorologische Amt verschickte am Dienstag eine Kurzmeldung: Die Stadtbürger würden am Donnerstag dank einer neuen Kaltfront wieder aufatmen können. Aber nur kurz. Denn für die Zeit vom 14. bis 16. Dezember erwarten die Wetterforscher wieder schlechte Luft über Peking. Die nächste Smogwelle kommt bestimmt. Und das ist diesmal leider kein Witz.

(RP)
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