Asylbewerber Tausende Iraker kehren in ihre Heimat zurück

Sulaimanija · Der Irak verzeichnet eine wachsende Zahl enttäuschter Rückkehrer. Nicht alle Migranten, die Richtung Europa strömen, sind unmittelbar vor Krieg geflohen. Manche hatten Jobs – aber auch Träume von einem besseren Leben.

Asyl beantragen: Wie läuft ein Asylverfahren ab?
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So läuft das Asylverfahren ab

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Foto: Endermann, Andreas

Der Irak verzeichnet eine wachsende Zahl enttäuschter Rückkehrer. Nicht alle Migranten, die Richtung Europa strömen, sind unmittelbar vor Krieg geflohen. Manche hatten Jobs — aber auch Träume von einem besseren Leben.

Sie gaben ihre Jobs auf und kratzten ihre Ersparnisse zusammen, um nach Europa zu gelangen. Doch dort fanden die Iraker Surkaw Omar und Rebien Abdullah volle Asylunterkünfte, Hunger und eiskaltes Wetter vor. Jetzt zurück im heimischen Nordirak, ziehen die beiden Kurden eine bittere Bilanz. Ihre Suche nach einem besseren Leben war ein Desaster.

Beide hatten umgerechnet je rund 7300 Euro für die Reise gezahlt, das meiste Geld kassierten die Schmuggler. In Deutschland und Schweden, so erzählen die Ernüchterten, hingen sie dann monatelang in Unterkünften für Asylbewerber fest. Nur wenig Essen oder Geld hätten sie bekommen.

Zeit in deutscher Ersteinrichtung "sehr schlimm"

"Es war sehr schlimm", erinnert sich der 25-jährige Omar an seine Zeit in einer deutschen Ersteinrichtung. "Ehrlich gesagt, wir haben dort gehungert." Und weiter: "Sie gaben uns nur Käse und Tee. Und unser wöchentliches Taschengeld waren 30 Euro." Deshalb seien sie weitergezogen und hätten ihr Glück in Schweden gesucht - doch auch dort scheiterten die beiden mit ihren Vorstellungen.

"Als wir ankamen, war es Winter" erzählt Omar weiter. "Es war eisig. Sie steckten mich in einem Raum mit drei Syrern. Ich sprach aber kein Arabisch und sie kein Kurdisch. Also kommunizierten wir wie taube Menschen." Nach einem weiteren Versuch in Deutschland hätten sie aufgegeben. "Wir sagten uns, lass' uns nach Hause gehen. Das ist besser als irgendwo anders."

Gruppe der Rückkehrer wächst

Viele der Hunderttausenden Flüchtlinge und Migranten, die nach Europa strömen, stammen aus Kriegsgebieten. Omar und Abdullah hingegen kommen aus dem Kurdengebiet im Nordirak, das weitgehend von den Kämpfen mit der Terrormiliz Islamischer Staat ausgenommen ist. Sie gehören zu einer Gruppe, die nach Einschätzung von Experten immer größer wird: Migranten, die Europa wegen der schwierigen Suche nach Arbeit und Wohnung wieder verlassen und in ihre Heimat zurückkehren.

Nach Zahlen der Internationalen Organisation für Migration kamen 2015 etwa 70.000 Iraker nach Europa. Die nichtstaatliche Irakische Flüchtlingsföderation hält es für möglich, dass die Zahl sogar doppelt so hoch war. Allein 40 000 stammten demnach wie Omar und Abdullah aus der Kurdenregion.

Viele reisen auf eigene Faust

Doch seit Anfang des Winters steigt die Zahl derjenigen, die die IOM um Hilfe für eine Rückkehr bitten. Waren es im September noch 350, wollten im Oktober bereits 761 zurückkehren und im Januar 831. "Es ist schwierig, genaue Zahlen zu bekommen, weil viele auf eigene Faust zurückkehren und sich mit anderen Reisenden vermischen", sagt IOM-Sprecherin Sandra Black. "Doch die Zahl steigt deutlich."

Das könnte wie eine gute Nachricht für europäische Länder klingen, die ihre Türen für Kriegsflüchtlinge öffneten, Wirtschaftsmigranten aber zurückweisen. Sie verdeutlicht jedoch auch die wachsenden Schwierigkeiten, auf die Flüchtlinge in Deutschland und Schweden treffen. Beide Länder hatten 2015 zusammen mehr als eine Million Migranten aufgenommen.

Viele hoffen auf Jobs und Wohnungen

Wie Omar und Abdullah sagt auch Black, dass die meisten ihre Hoffnungen auf Jobs und Wohnungen nicht erfüllt sehen. Hinzu komme eine langsame Familienzusammenführung. "Die wachsende Zahl ankommender Flüchtlinge und Migranten hat einen massiven Druck auf das Einwanderungssystem in Europa erzeugt. Die Verfahren brauchen länger, deshalb geben einige von ihnen auf", meint die IOM-Sprecherin.

Der Anthropologie-Professor Maurizio Albahari von der Universität Notre Dame im US-Staat Indiana sagt, eine Gruppe europäischer Länder versuche, "Asylsuchende aktiv zu entmutigen, zumindest indirekt". Albahari forscht über die Migration in Europa.

Kurdenregion gilt als sicher

Von den 4305 Irakern, die 2015 und im Januar 2016 für ihre Rückkehr von der IOM unterstützt wurden, kehrte ein Drittel in die Kurdenregion zurück. Das Gebiet ist sicher und nahm selbst viele Flüchtlinge aus anderen Teilen des Iraks auf. Doch der Krieg gegen den IS im Land und der dramatisch abgesackte Ölpreis belasten die örtliche Wirtschaft schwer.

Omar hatte als Tagelöhner in Restaurants und Supermärkten gejobbt, Abdullah fuhr ein eigenes Taxi. Den Wagen verkaufte er, um seine Reise nach Europa zu finanzieren. Ihre Entscheidung, diesen Schritt zu wagen, sei vornehmlich durch den Druck von Bekannten und Freunden entstanden. "Ich sah, dass sich alle auf den Weg machten und sagten, 'Es ist so und so (in Europa)'", schildert Omar. "Doch als ich dann dort war, war nichts so".

"Europa ist es nicht wert, Deine Familie zu verlassen"

"Leben in Europa ist wirklich hart", meint auch Abdullah. "Du musst warten. Wir konnten aber nicht warten, weil wir uns mit unserem Land (...) und unseren Familien so verbunden fühlen. Und ehrlich, Europa und eine Aufenthaltsgenehmigung sind es nicht wert, Deine Familie zu verlassen und Dein Leben zu riskieren".

Der Menschenrechtsbeauftragte des kurdischen Regionalparlamentes, Soran Omar, kennt diese Erfahrungen. Und sie seien kein Einzelfall, meint er. Sogar Menschen, die vor dem IS aus Falludscha oder Ramadi geflohen seien, hätten in der Kurdenregion unter besseren Bedingungen gelebt als jetzt in Deutschland.

Doch diese Erfahrungen hätten nicht dazu geführt, dass der Exodus aus der Region gen Europa abnehme, meint Omar. Im Gegenteil: "Die Leute hier haben nichts zu verlieren. Wir glauben, dieses Jahr wird das Jahr der Migration".

(lukra/ap)
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