Mann schießt im Thalys um sich Die Soldaten hörten, wie er auf der Zugtoilette seine Waffe lud

Arras · US-Soldaten überwältigten im französischen Thalys-Schnellzug zwischen Amsterdam und Paris einen schwer bewaffneten Mann und verhinderten damit offenbar ein Blutbad. Jetzt erzählen sie, wie sie das Drama im Zug erlebten. Zudem ist ein Handy-Video aus dem Zug aufgetaucht.

 Der Sender CNN zeigt ein angebliches Handyvideo aus dem Zug.

Der Sender CNN zeigt ein angebliches Handyvideo aus dem Zug.

Foto: Screenshot CNN

Einer der US-Bürger, Anthony Sadler, sagte dem US-Nachrichtensender CNN am Freitag, er und seine Freunde Alek Skarlatos und Spencer Stone hätten in dem Schnellzug zwischen Amsterdam und Paris beobachtet, wie der Angreifer mit einer Kalaschnikow aus einer Bordtoilette gekommen sei. Daraufhin seien sie sofort eingeschritten.

"Mein Freund Alek rief 'Schnapp ihn!', woraufhin mein Freund Spencer sofort aufsprang, um den Typ zu überwältigen, gefolgt von Alek und mir", berichtete Sadler. "Wir drei haben den Typ zusammengeschlagen, wobei Spencer mehrmals mit dem Teppichmesser geschnitten wurde, und Alek nahm die Kalaschnikow weg", sagte Sadler dem Sender.

"Überall war Blut"

Anschließend habe er den Angreifer mit Hilfe eines weiteren Passagiers gefesselt. Dann habe er einen Mann mit einem Schnitt an der Kehle entdeckt, woraufhin sein Freund Stone begonnen habe, die Wunde zu behandeln.

Laut CNN handelte es sich bei den drei eingreifenden US-Bürgern um ein Mitglied der US-Luftwaffe, ein nicht aktives Mitglied der US-Nationalgarde und einen Zivilisten. Das Pentagon teilte mit, einer der zwei bei dem Vorfall Verletzten sei ein Mitglied der US-Streitkräfte. Der Verdächtige wurde am Bahnhof im nordfranzösischen Arras festgenommen. Er war in Brüssel zugestiegen.

Auch anderen Augenzeugen meldeten sich zu Wort. Der Mann habe plötzlich Schüsse abgegeben. Dann habe sich "jemand mit einem grünen T-Shirt auf ihn gestürzt und ihn zu Boden gedrückt". "Ich habe Schüsse gehört, vielleicht zwei, und ein Typ ist zusammengebrochen", schilderte die New Yorkerin Christina Cathleen Coons, die im Waggon 12 des Thalys-Zuges saß. "Überall war Blut."

Er soll in Syrien gewesen sein

Der US-Fernsehsender CNN veröffentlichte indes ein Video, das Szenen nach den Schüssen in einem Thalys-Zug zeigen soll. Darauf ist zu sehen, wie ein Mann mit nacktem Oberkörper am Boden liegt, seine Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Außerdem ist ein Mann mit einer Verletzung im Nacken zu erkennen. Auf einem der Thalys-Sitze steht eine Waffe, bei der es sich um ein Sturmgewehr handeln könnte.

Bei dem Angreifer soll es sich um einen 26-Jährigen marokkanischer Abstammung handeln, über den eine Geheimdienstakte vorlag und der zeitweise in Spanien lebte. Laut der spanischen Zeitung "El País" war er vom spanischen Geheimdienst als radikal eingestuft und den französischen Behörden gemeldet worden.

Er soll in jüngster Zeit nach Syrien gereist sein. Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen, nachdem der Mann am Freitagabend in dem Thalys-Zug mindestens einen Schuss abgefeuert hatte.

Lob von höchster Stelle

Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve lobte die US-Soldaten für ihre "Kaltblütigkeit" und ihren Mut. Sie hätten ein möglicherweise "schreckliches Drama" verhindert. Auch US-Präsident Barack Obama dankte den beiden für ihren Mut und ihre schnelle Reaktion. "Ihre heldenhafte Tat hat möglicherweise eine viel schlimmere Tragödie verhindert", erklärte er.

Am Bahnhof von Arras durchsuchten Ermittler den Zug, während die Identität der 554 Passagiere überprüft und ihr Gepäck durchsucht wurde. Mit Sonderzügen wurden sie in der Nacht nach Paris gebracht.

Bei dem Vorfall wurde nach Angaben des französischen Bahnbetreibers SNCF auch der französische Schauspieler Jean-Hugues Anglade leicht verletzt. Der aus dem Kultfilm "Betty Blue" bekannte Darsteller verletzte sich demnach, als er den Zugalarm auslösen wollte.

In Frankreich kehrt die Angst zurück

Auch wenn das Motiv des Täters vorerst im Dunkeln bleibt, dürfte der Vorfall die Beunruhigung in Frankreich nach mehreren islamistischen Anschlägen in diesem Jahr erhöhen. Im Januar hatten drei Islamisten bei Anschlägen auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt in Paris 17 Menschen getötet. Im Juni enthauptete ein 35-Jähriger bei einem mutmaßlich islamistischen Anschlag nahe Lyon seinen Chef und brachte in einer Industrieanlage Gasflaschen zur Explosion. Auch in diesem Fall soll es Verbindungen zur IS-Miliz in Syrien gegeben haben.

(AFP dpa)
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