Obamas Trauerrede in Charleston Der Präsident als Prediger

Charleston · US-Präsident Obama nutzt die Trauerfeier nach dem Mord an neun Afroamerikanern für eine bewegende Rede. Das Verbrechen habe viele Probleme seines Landes offengelegt, von der Waffengewalt bis zur Diskriminierung von Schwarzen.

In einer Trauerrede nach den Todesschüssen auf neun Afroamerikaner hat US-Präsident Barack Obama das Land zum Nachdenken über die Diskriminierung von Schwarzen aufgerufen.

"Vielleicht erkennen wir jetzt, wie uns rassistische Vorurteile infizieren können, selbst wenn wir es nicht merken", sagte er am Freitag bei einer Gedenkfeier in Charleston (South Carolina) gut eine Woche nach dem Massenmord in einer Kirche. Es gehe nicht nur darum, dass immer noch abwertende Sprüche über Schwarze gemacht würden, sondern dass sie auch konkrete Nachteile erführen.

In seiner emotionalen rund 40 Minuten langen Ansprache für Pfarrer Clementa Pinckney, der zu den Opfern gehörte, verwies Obama mehrfach auf Gott und die Bibel. Am Ende sang er gar die Hymne "Amazing Grace" (erstaunliche Gnade), was für einen Präsidenten bei einem öffentlichen Auftritt außergewöhnlich ist und für Rührung sorgte.

Man dürfe jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, forderte Obama. Der mutmaßlich rassistisch motivierte Massenmord bei einer Bibelstunde Mitte Juni habe die Schwächen des Landes aufgezeigt. Gott "hat uns erlaubt zu sehen, wo wir blind waren".

Es sei Zeit, "sich den unangenehmen Wahrheiten zu stellen", sagte er. Eindringlich kritisierte er die anhaltende tödliche Gewalt mit Schusswaffen in den USA. "Zu lange sind wir blind gewesen gegenüber dem einzigartigen Chaos, das Waffengewalt dieser Nation zufügt."

Der mutmaßliche, geständige Mörder Dylann Roof ist nach Obamas Worten aber mit seinem Vorhaben gescheitert, das Land zu spalten. Der 21-Jährige Weiße habe nicht damit gerechnet, dass die Hinterbliebenen der Opfer mit Vergebung reagieren und dass die USA die Bluttat als Anstoß zur Selbstprüfung nutzen würden, sagte er. "Gott hat andere Vorstellungen", meinte er unter dem Jubel von mehr als 5000 Teilnehmern der Veranstaltung.

Der Präsident forderte in der Rede auch die generelle Entfernung der Konföderierten-Kriegsflagge, die in einigen Südstaaten noch gehisst wird. Sie stammt aus der Bürgerkriegszeit und steht Kritikern zufolge für die damalige Bereitschaft des Südens, gegen den Norden in den Krieg zu ziehen, um die Sklaverei beibehalten zu können. Befürworter sehen sie dagegen als Symbol, um der Opfer des Kriegs zu gedenken.

"Zu lange waren wir blind gegenüber dem Schmerz, den die Konföderierten-Flagge in zu vielen unserer Bürger auslöste."

(dpa)
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