Tragödie um hirntote schwangere Frau US-Richter: Marlise Munoz darf sterben

Fort Worth · Ein ethisches Dilemma beschäftigt derzeit die USA: Eine schwangere Amerikanerin liegt hirntot in einem Krankenhaus, das sie weiter künstlich am Leben erhält. Gegen den Willen des Ehemannes. Das Argument: Es geht um den Schutz des Fötus. Jetzt hat ein Richter entschieden.

Der Fall Munoz - Drama in den USA
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Seit zwei Monaten sitzt Erick Muñoz tagtäglich in einem texanischen Krankenhaus am Bett seiner Frau Marlise. Sie ist hirntot und schwanger, in der 22. Woche. Jetzt hat ein Richter die Klinik angewiesen, dem Wunsch des Ehemannes zu folgen und die Geräte abzuschalten, mit denen die Patientin künstlich am Leben gehalten worden ist. Er setzte dem John Peter Smith Hospital in Fort Worth eine Frist bis zum Montag, 17 Uhr Ortszeit (Mitternacht MEZ), seiner Anordnung zu entsprechen. Das Krankenhaus ließ zunächst nicht erkennen, ob es Berufung einlegen wird.

Beide Seiten, die Klinik und die Angehörigen, stimmen darin überein, dass Marlise nach allen Kriterien als hirntot einzustufen ist. Das heißt, sie gilt sowohl nach medizinischen Gesichtspunkten als auch nach texanischen Gesetzen als tot. Unumstritten ist auch, dass der Fötus in diesem frühen Stadium der Schwangerschaft nicht lebend geboren werden könnte. Aber die Klinik argumentiert, dass es rechtlich verpflichtet sei, ihn zu schützen. Es weist auf ein Gesetz hin, nach dem lebenserhaltende Maßnahmen bei schwangeren Patienten nicht abgebrochen werden dürften.

Ehemann Erick beharrt darauf, dass seine Frau es nie gewollt hätte, in einem solchen Zustand gehalten zu werden. Seine Anwälte verweisen außerdem auf medizinische Erkenntnisse, denen zufolge der Fötus der Patientin ganz klar nicht normal entwickelt sei.

"Frau Muñoz ist tot."

Richter R.H. Wallace stellte in seinem Urteil am vergangenen Freitag knapp fest: "Frau Muñoz ist tot." Er meinte damit, dass das Krankenhaus das Gesetz falsch anwende. Den Fötus erwähnte er nicht.

Das Drama hat in den USA eine Diskussion über Sterbehilfe ausgelöst und auch die Abtreibungsdebatte neu belebt. Es begann am 26. November. Da fand Erick Muñoz seine Frau bewusstlos vor, vermutlich aufgrund eines Blutgerinnsels. Das Krankenhaus hat Marlise bisher nicht für tot erklärt und sie trotz Einwänden sowohl des Ehemannes als auch der Eltern weiter behandelt.

Jessica Hall Janicek und Heather King, die Anwälte von Erick Muñoz, warfen der Klinik am Freitag in der gerichtlichen Anhörung vor, ein "wissenschaftliches Experiment" durchzuführen. Sie warnten zugleich vor einem gefährlichen Präzedenzfall und entwarfen ein Szenario mit speziellen Intensivstationen für hirntote schwangere Frauen - tote Menschen, die als Brutkästen dienten, wie es King formulierte.

Erick Muñoz beschrieb in einem Gerichtspapier, was es bedeute, seine Frau im derzeitigen Zustand zu sehen: Von ihren glasigen "seelenlosen" Augen sprach er und von ihrem Parfüm, das jetzt durch einen Geruch des Todes ersetzt worden sei. Er habe versucht, ihre Hand zu halten, aber es nicht gekonnt. "Ihre Gliedmaßen sind...so steif und starr geworden, dass ihre Knochen brechen, wenn ich ihre Hände bewege, und ihr Beine sind nichts mehr als totes Gewicht.

Klinik will Fötus schützen

Larry Thompson, der das öffentliche Krankenhaus vertritt, sagte am Freitag vor Gericht, die Klinik verstehe den Schmerz der Angehörigen und erkenne auch deren Rechte an. Aber es gebe eine größere rechtliche Verpflichtung - den Schutz des Fötus. "Da ist ein Leben involviert, das Leben des ungeborenen Kindes."

Es ist bisher wenig bekannt über die Überlebenschancen eines Fötus, wenn die Mutter während der Schwangerschaft einen Hirntod erleidet. Laut einem Artikel im Journal BMC im Jahr 2010 sind deutsche Mediziner bei Nachforschungen auf 30 solcher Fälle in einem Zeitraum von fast 30 Jahren gestoßen. Die Schwangerschaften der betroffenen Mütter waren weiter fortgeschritten als die von Marlise Muñoz, als der Hirntod eintrat: im Durchschnitt waren sie in der 22.
Schwangerschaftswoche.

In 12 von 19 Fällen, die sich bis zur Geburt verfolgen ließen, kam ein lebensfähiges Kind zur Welt. Darüber hinaus verfügbare Ergebnisse beschränkten sich auf sechs dieser Kinder - und sie alle entwickelten sich demnach normal.

Eric Muñoz und seine Schwiegereltern umarmten sich nach der Verkündung des Urteils im Gerichtssaal. Bereits zuvor hatte er der Nachrichtenagentur AP in einem Telefoninterview gesagt, dass seine Frau Rettungssanitäterin gewesen sei - der gleiche Beruf, den er auch selbst ausübt. Für beide habe festgestanden, dass sie in einem solchen Zustand nicht künstlich am Leben gehalten werden wollten.

(ap)
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