Nach Amoklauf in Virginia USA diskutiert über schärfere Waffengesetze

Blacksburg (RPO). Die Bilder des Irrinns sind auf erschreckende Weise vertraut. Studenten fliehen in Todesangst über den Campus. Schwer bewaffnete Polizisten stürmen Schulgebäude. Toten werden auf Bahren weggetragen. Eine blutige Spur von Gewalttaten zieht sich durch Lehranstalten in den USA.

Mehr als 30 Tote bei Amoklauf
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Foto: AP

Die Gefahr ist bekannt. Auch diesmal, an der Universität Virginia Tech, waren wieder Schusswaffen im Spiel. "Warum haben wir wieder auf eine Tragödie wie diese gewartet, ohne etwas zu tun?", fragt die Abgeordnete Carolyn McCarthy. Seit ihr Mann 1993 von einem Amokläufer erschossen wurde, setzt sie sich für strengere Gesetze zur Waffenkontrolle ein - ohne Erfolg. Die wenigen Schutzvorschriften wurden in den letzten Jahren sogar wieder gelockert.

Das Blutbad von Blacksburg mit 33 Toten hat die Debatte über das Recht auf das Tragen einer Schusswaffe, das in der US-Verfassung garantiert ist, neu entfacht. Es müsse endlich wieder darüber geredet werden, "wie man solche Tragödien abwenden kann", fordert der demokratische Senator Edward Kennedy. So tief das Entsetzen über den Amoklauf von Blacksburg ist, so vergeblich wirkt der rituelle Ruf nach schärferen Gesetzen. Er ertönte, als im April 1999 zwei Teenager an der Columbine High School in Littleton 13 Mitschüler erschossen. Er wurde laut, als im Oktober ein Attentäter in einer Grundschule in Pennsylvania fünf Mädchen erschoss. Doch es fehlt am politischen Willen.

Wie gut organisiert der Widerstand gegen die todbringenden Waffen ist, ließ sich nur einen Tag vor der Tragödie von Blacksburg in St. Louis studieren: Dort ging am Sonntag die Jahrestagung des mächtigen Verbands der Waffenlobby, der National Rifle Association (NRA), zu Ende. Vier Millionen Mitglieder hat der Verband, die meisten von ihnen sind konservativ und stellen ein unverzichtbares Wählerpotenzial für die Republikaner von US-Präsident George W. Bush dar. NRA-Chef Wayne LaPierre ist häufiger Gast im Weißen Haus, und seine Botschaft stößt dort auf offene Ohren. "Der Präsident ist überzeugt, dass die Menschen ein Recht auf das Tragen von Waffen haben", sagte Bushs Sprecherin Dana Perino nach dem Massaker.

Seit Bush Präsident ist, haben die Gegner der Waffenlobby viele Rückschläge einstecken müssen. Vor zwei Jahren lief ein Gesetz aus, das den freien Verkauf hoch gefährlicher Sturmwaffen wie die AK-47 oder die Uzi verbot. Im republikanisch dominierten Kongress fand sich keine Mehrheit für eine Verlängerung der Regelung, die der demokratische Präsident Bill Clinton in den 90er Jahren gegen großen Widerstand durchgeboxt hatte. Ein neues Gesetz schützt seit 2005 die Waffenhersteller vor Schadenersatzklagen von Opfern. Bundesstaaten erließen Gesetze, die das verdeckte Tragen von Schusswaffen erlauben. Viele der Kongressabgeordneten, die sich am Montag zu einer Schweigeminute für die Opfer von Blacksburg erhoben, hatten früher gegen schärfere Waffengesetze gestimmt.

Angesichts des drohenden Verlusts der Republikaner bei der Präsidentschaftswahl 2008 machte die NRA in St. Louis mobil gegen die Pläne mancher Demokraten für eine schärfere Waffenkontrolle. "Es gibt heute keinen Waffenbesitzer, der seine Freiheiten als garantiert ansehen kann", warnte LaPierre. Den tausenden Besuchern rief er zu: "Wir werden uns erheben, wir werden zusammenstehen, wir werden kämpfen." Es war eine unverhohlene Machtdemonstration.

Der Gouverneur des gastgebenden Bundesstaats Missouri, Matt Blunt, unterzeichnete vor den NRA-Delegierten unter stehenden Ovationen ein Gesetz. Es verbietet den Behörden, den Verkauf, Besitz oder Notfall-Einsatz von Waffen in irgendeiner Weise zu beschränken. Die Politik als Erfüllungsgehilfe der Waffenlobby: Die NRA zählt mit Dutzenden Millionen Dollars zu den größten Spendern der Republikaner. Wer Präsident werden will, tut gut daran, sich zumindest als Jäger zu erkennen zu geben.

Die Waffengesetze in Virginia, wo das Massaker stattfand, sind ganz nach dem Geschmack der NRA. Jeder Bürger über 18 darf eine Waffe kaufen, wenn er nicht vorbestraft ist - auch die gefährlichen Schnellfeuerwaffen. Die Munition dazu gibt es im Waffenladen um die Ecke oder per Postversand. Einzige Beschränkung: Man darf pro Monat nur eine Waffe kaufen.

(ap)
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