Debatte um US-Recht auf Selbstverteidigung Ein Pro-Waffenbuch für Kinder wird im Netz zum Aufreger

Washington · Die Debatte um die Waffengesetze schwelt in den USA seit Jahren. Bislang aber saß die mächtige Waffenlobby immer am längeren Hebel. Nun sorgt ein Pro-Waffenbuch im Netz für Aufregung. Denn das Werk ist für Kinder gedacht und soll ihnen das US-Recht auf Selbstverteidigung näherbringen.

 Auch in einem Youtube-Video wird das Kinder-Buch angepriesen.

Auch in einem Youtube-Video wird das Kinder-Buch angepriesen.

Foto: Screenshot Youtube

Das Mädchen in der blau-geblümten Bluse steht zwischen seinen Eltern. Die drei sehen glücklich aus, lächeln, eine amerikanische Durchschnittsfamilie eben. So sieht die Zeichnung auf dem Cover des Buches "My Parents Open Carry" aus. Was erst auf den zweiten Blick auffällt, ist das, was die Eltern an ihrer Hüfte tragen: Waffen. Erschienen ist das Kinder-Buch bereits 2011, doch im Netz kochen jetzt die Gemüter angesichts des Werkes hoch.

Ob bei Twitter oder in den Kommentaren auf Amazon — das Buch wird derzeit kontrovers diskutiert. "Ernsthaft?", fragt etwa ein Twitterer. Ein anderer schreibt: "Das gruseligste Kinderbuch, das jemals produziert worden ist." "Wenn es nicht so erschreckend wäre, wäre es lustig", bemerkt eine weitere Userin. Auch die Autorin Elizabeth Law schreibt in dem Kurznachrichtendienst: "Das erste Mal seit 25 Jahren, das mich ein Kinder-Buch sprachlos zurücklässt."

Gerade auf Amazon sammeln sich unter der Buchvorstellung viele Kommentare. Manche sind ernsthaft von dem Buch begeistert, viele aber äußern sich auch mit beißender Ironie über das Werk. Da schreibt etwa ein Kommentator bitterböse: "Nachdem ich zu Jesus und Charlton Heston (Schauspieler und Aushängeschild der Waffenorganisation NRA — Anm. d. Red.) gebetet habe, habe ich mich zu meinen Kindern an den Rand des Bettes gesetzt, um ihnen das Buch vorzulesen. Als ich meine Position veränderte und versehentlich meine 9mm-Pistole auslöste, die um meine Hüfte geschnallt war, schoss ich mir in den Schenkel." Andere Kommentaroren schlagen Nachfolge-Werke vor, die sich etwa mit der Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beschäftigen.

Die Berufung auf den zweiten Zusatzartikel der Verfassung

Was die Gegner alle eint in ihrer Aufregung ist der Inhalt des Buches und warum es überhaupt geschrieben wurde. Die beiden Autoren Brian Jeffs und Nathan R. Nephew, die in Michigan auch eine Waffenbefürworter-Organisation mitgegründet haben, erklären auf der Webseite zum Buch selbst, dass sie sich auf die Suche nach Waffenliteratur für Kinder begeben, aber nichts gefunden hätten. Daher hätten sie sich dazu entschlossen, das Buch zu schreiben. "Wir befürchten, dass unsere Kinder mit einer verzerrten Sicht auf unsere Verfassung und den zweiten Zusatzartikel aufwachsen", schreiben sie dort. Gemeint ist, das Selbstverteidigung in den USA als Grundrecht gilt und der zweite Zusatzartikel den freien Waffenbesitz erlaubt.

Über diesen gibt es seit Jahren Diskussionen, doch trotz mehrerer Amokläufe etwa an der Sandy-Hook-Grundschule schafften es die Gegner des freien Waffenbesitzes nicht, schärfere Waffengesetze durchzusetzen. Und das sollen sie auch nicht, geht es nach den Autoren des Buches. Sie wollen, dass Kinder ganz natürlich den Umgang mit Waffen lernen, als sei es selbstverständlich, dass ihre Eltern Waffen im Supermarkt oder im Kino tragen.

"Erlebe die 13-jährige Brenna Strong (zu deutsch: Stark) und ihre Mutter Bea und ihren Vater Richard, wie sie einen typischen Samstag verbringen", heißt es zum Inhalt des Buches. "Was nicht so typisch ist, dass sie offen ihre Waffen zur Selbstverteidigung tragen." An einer Stelle im Buch kommt denn auch Mutter Bea in die Schule und wird von den Freunden ihrer Tochter gefragt, ob die Waffe, die sie trage, echt sei. Als sie das bejaht, finden die Schüler das alle "cool".

Sogar ein Youtube-Video gibt es

Die Autoren preisen das Buch denn auch mit den Worten an, dass es für alle sei, die ihre Waffen offen tragen — oder tragen wollen — aber ihnen die richtigen Erklärungen für ihre Kinder, Familie oder Freunde fehle. Auch Lehrern, die daheim unterrichten, wird es als Lektüre empfohlen, und es wird als Nummer-1-Bestseller bei politischen Kinderbüchern bei Amazon beworben. Sogar ein Youtube-Video gibt es, das das Buch empfiehlt.

Bei den Amazon-Bewertungen jedenfalls hat das Buch durchschnittlich drei von fünf Sternen bekommen, noch überwiegen die schlechten Bewertungen, doch es gibt fast ebenso viele mit fünf Sternen — vielleicht auch deshalb, weil die Verfasser der ironischen Kommentare dem Buch ebenfalls einfach mal fünf Sterne gegeben haben.

(das)
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