Vierjährige enthauptet Moskaus "blutiger Babysitterin" droht lange Haftstrafe

Moskau · Kaum eine Nachricht löst in Moskau gerade so große Emotionen aus wie der grausame Fall der "blutigen Babysitterin". Die aufsehenerregende Enthauptung eines Kleinkindes hat der 38-jährigen verdächtigen Kinderfrau Glutschechra B. den schrecklichen Beinamen eingebracht. Jetzt drohen ihr bis zu 25 Jahre Haft.

Mit dem abgetrennten Kopf eines ihr anvertrauten vierjährigen Mädchens hatte die Gastarbeiterin aus dem zentralasiatischen Usbekistan an einer Moskauer Metrostation Passanten in Panik versetzt. Die Staatsanwaltschaft hat B. wegen Mordes angeklagt. Hardliner wie der Nationalist Wladimir Schirinowski forderten bereits die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Ebenso sehr wie die blutrünstige Tat sorgt aber auch die dünne Berichterstattung russischer Staatsmedien für Aufsehen. Kritiker werfen den Behörden vor, den ohnehin vom Kreml kontrollierten Sendern aus Angst vor Spannungen einen Maulkorb verpasst zu haben. Doch während die Behörden von einer psychischen Krankheit der Frau ausgehen und das Staats-TV zunächst schweigt, sammeln sich in Presse und Internet Spekulationen über einen islamistischen Hintergrund.

Mit Bergen aus Blumen und Kuscheltieren haben Passanten am Eingang der Metrostation Oktjabrskoje Polje im Westen Moskaus eine provisorische Gedenkstätte errichtet. Hier war die Babysitterin am Montag festgenommen worden. Drei Jahre soll B. bereits als Kindermädchen bei der Familie des Opfers gelebt und auf die kleine Nastja aufgepasst haben. Das Kind war behindert. Die Eltern sparten Berichten zufolge für eine Behandlung in Deutschland.

Moskauer Ermittler warnen die Medien davor, aus Sensationsgier den Fall aufzubauschen. Die Verdächtige habe psychische Probleme, sagt der Sprecher der Ermittler, Wladimir Markin. Die Behörden in der usbekischen Heimat der Kinderfrau bestätigten, B. sei vor rund 15 Jahren wegen Schizophrenie in psychiatrischer Behandlung gewesen.

Zugleich mehren sich Berichte, die Angeklagte habe aus religiösen Motiven gehandelt. Nach der kaltblütigen Tat habe sie den Kopf der kleinen Nastja in eine Tüte gepackt, sich ein schwarzes Gewand angezogen und die Wohnung der Familie in Brand gesetzt. Dann sei sie zur Metrostation gezogen, heißt es in vielen Medien. Dort wedelte sie mit dem Kopf und soll auf Arabisch "Allah ist groß" gerufen haben.

Allah habe ihr befohlen zu morden, soll sie später Journalisten erzählt haben. Auch in einem Verhör nannte B. islamistische Motive, wie aus einem Video im Netz hervorgeht.Russland fürchtet wegen seines Militäreinsatzes in Syrien Terroranschläge in der Heimat. Beobachter vermuten, dass die Behörden Spekulationen in diese Richtung eindämmen wollen.

In westlichen Ländern würde eine Tat wie diese alle nationalen Nachrichtensendungen und Titelseiten dominieren, meint die Journalistin Julia Latynina von der Kreml-kritischen Zeitung "Nowaja Gaseta". "Doch in Russland ist das Unwahrscheinliche eingetreten", kritisiert sie. Nicht ein staatlicher Sender habe den Fall erwähnt.

Der Kreml beteuert zwar, Präsident Wladimir Putin habe nicht angewiesen, über den Fall nicht zu berichten. Das brauche es aber auch nicht, meinen Beobachter. "Der innere Zensor jedes staatlichen Kanals funktioniert seit langem im Voraus", kommentiert die "Nowaja Gaseta". Wer sich nicht anpasse, könne seinen Job vergessen. Politiker wie der Vorsitzende des Medienausschusses im Parlament, Leonid Lewin, loben die Zurückhaltung des Fernsehens. Dadurch werde ein Schaden für die Gesundheit der Gesellschaft vermieden, meint er.

"Natürlich kann es sein, dass die Sender aus eigenem Antrieb geschwiegen haben, um einen nationalen Streit zu vermeiden", schreibt die Journalistin Latynina. Gleichzeitig seien dies dieselben TV-Sender, die sonst keine haarsträubende Geschichte auslassen würden, wie etwa die angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen durch Ausländer in Berlin, schreibt sie. Der Fall hatte sogar eine diplomatische Verstimmung zwischen Moskau und Berlin ausgelöst. Die Geschichte hatte sich aber als falsch erwiesen.

(dpa)
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