Kleinkind stirbt Hitzetod im Auto War der Tod des kleinen Cooper von Anfang an geplant?

Der Fall bewegt Amerika. Der erst 22 Monate alte Cooper starb Mitte Juni an einem Hitzeschlag, stundenlang zurückgelassen, allein in einem in der prallen Sonne geparkten SUV. Dem Vater droht die Todesstrafe. Doch zunehmend macht sich auch die Mutter verdächtig. War Coopers Tod von langer Hand geplant?

Hitzetod im Auto - ein Fall bewegt die USA
6 Bilder

Hitzetod im Auto - ein Fall bewegt die USA

6 Bilder

Der Tod des Jungen, der am 18. Juni starb, bewegt Millionen Amerikaner. Fernsehsender berichteten über Stunden live aus dem Gerichtssaal. Warum musste der kleine Cooper sterben? War es nur ein tragisches Versehen, so wie es die Anwälte von Leanna (33) und Justin Ross H. (31) behaupten? Oder ein kalt geplantes Verbrechen, dessen Grausamkeit seinesgleichen sucht?

Seit anderthalb Wochen sitzt der 31-jährige Vater in Haft. Ihm droht die Todesstrafe. Mehr als sieben Stunden ließ er seinen noch nicht einmal zwei Jahre alten Sohn allein im Auto auf einem Parkplatz zurück. Die Außentemperatur betrug um die 32 Grad, im Inneren des Wagens soll sie auf mehr als 60 Grad gestiegen sein.

Der Staatsanwalt wirft ihm Mord vor. In Deutschland hätte die Anklage vermutlich zunächst auf Totschlag gelautet, denn zur Verhandlung steht bislang die Version von einem Unglück, vom tragischen Unfall im Mittelpunkt. Doch das Gericht hält auch ein kaltblütiges Verbrechen für möglich. Der Antrag, den Vater gegen eine Kaution wieder auf freien Fuß zu setzen, wurde abgelehnt.

Wie von Sinnen

So wie sie der Vater bis heute aufrecht erhält. Er behauptet, seinen Sohn auf dem Weg zur Arbeit in Atlanta vergessen zu haben. Den Ermittlungen zufolge hatte der Mann zunächst mit seinem Sohn in einem Restaurant gefrühstückt. Mittags traf er noch Freunde zum Lunch. Erst auf dem Heimweg will ihm aufgefallen sein, dass da noch Cooper hinten auf dem Rücksitz saß. Leblos, gehalten durch den Gurt. In dem Hort, wo Cooper eigentlich den Tag verbringen sollte, kam Cooper niemals an.

Augenzeugen schilderten dramatische Szenen, die sich kurz danach zugetragen haben sollen. H. habe auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums ganz nah am Highway Auf dem Parkplatz verzweifelt versucht, seinen Sohn wiederzubeleben. "Was habe ich nur getan?", brüllte er demnach immer wieder. "Ich habe meinen eigenen Sohn getötet!" Die Polizei musste dem tobenden Vater Handschellen anlegen.

Zeugen schildern ihn als guten Vater

So grausam Coopers Tod gewesen sein muss, so wenig ist er ein Einzelfall. Schon mehrfach haben sich in den USA ähnlich Fälle ereignet. Nach Recherchen der Website Kidsandcars.org sterben jedes Jahr 35 Kinder einen vergleichbaren Tod. Im Jahr 2014 war Cooper der 13. Fall. Insofern ist die Aussage, ein Kind vergessen zu haben, nicht von vornherein unglaubwürdig. Zeugen beschrieben Justin H. als liebevollen Vater.

Doch die Zweifel an dem Ehepaar H. wachsen. Die Ermittler stießen auf immer neue auf Abgründe. Justin H. soll ein Doppelleben geführt, seine Frau mit Liebschaften aus dem Internet betrogen haben. Ein Polizeibeamter berichtete von "Sexting": Der Angeklagte habe Sex-Botschaften über das Smartphone ausgetauscht.

Recherchen nach dem Hitzetod

Ein Doppelleben macht einen Mann nicht zum Mörder. Aber verdächtig. Zumal noch weitere, weitaus verdächtigere Hinweise hinzukamen. Die Polizei stellte fest, dass beide Eltern wenige Tage vor Coopers Tod im Internet Seiten besucht hatten, die sich mit dem Thema Hitzetod befassen. Wie lange es zum Beispiel dauert, bis Tieren bei zu heißen Temperaturen umkommen. Oder Kleinkinder. Die Eltern hätten dies aus Sorge getan, sagen die Verteidiger.

Doch der Argwohn der Ermittler war geweckt.

Auch, weil sie darauf stießen, dass die Eltern Lebensversicherungen im Wert von 27.000 Dollar auf ihren Sohn abgeschlossen hatten. Die Familie hat angeblich mit Schulden zu kämpfen. Zudem soll Justin H. sich bei Befragungen durch die Polizei in Widersprüche verstrickt haben.

Seltsam teilnahmslos

Nicht nur wegen der dubiosen Internet-Recherchen zum Tod von Kleinkindern geriet auch zunehmend Ehefrau Leanna H. ins Visier der Ermittler. Gleich mehrfach verhielt sie sich ungewöhnlich. Ermittler beschreiben ihr Verhalten als seltsam, mindestens ungewöhnlich.

Zum Beispiel vor Gericht, wo sie die Anhörung ihres Mannes ohne erkennbare Gefühlsregung verfolgte und Kaugummi kaute. Oder als sie davon erfuhr, dass ihr Sohn nicht im Hort angekommen war. "Ross muss ihn im Auto gelassen haben", soll sie nach Recherchen des Atlanta Journal Constitution den Erziehern der Einrichtung gesagt haben.

Auch ihre Verhalten in einem Telefonat mit ihrer Mutter am Todestag wirft Fragen auf. Gerade erst hatte Leanna H. erfahren, was ihrem Sohn widerfahren war und berichtete ihrer Mutter davon. Die wunderte sich über das Verhalten ihrer Tochter: "Warum weinst du nicht? Warum zeigst du keine Reaktionen?" Sie müsse unter Schock stehen, antwortete Leanna.

Rätselhafte Äußerungen auf dem Friedhof

Auch bei der Beerdigung am Wochenende verhielt sie sich offenkundig auffällig. "Selbst wenn ich könnte, würde ich ihn nicht ins Leben zurückholen. Er ist jetzt an einem friedlichen und wundervollen Platz", zitiert sie der Bericht des US-Journals. Gegenüber ihrem Mann verspüre sie keinen Zorn.

Allerdings wird Leanna H. auch als tief religiös beschrieben. Ihre Aussagen sind für die amerikanische Kultur insoweit gar nicht so ungewöhnlich wie sie in mitteleuropäischen Ohren klingen. Das Leben nach dem Tod ist nach Ansicht der bibeltreuen Christen eines von Gottes größten Gaben.

Dennoch befasst sich die Strafverteidigung inzwischen intensiv mit der Personalie Leanna H. Sie steht offenkundig treu zu ihrem Mann. Am Dienstag besuchte sie ihn im Gefängnis. Noch gebe es nicht genügend Anhaltspunkte, um sie ebenfalls anzuklagen, heißt es bei der Justiz. Weitere Anhaltspunkte erhoffen sich die Staatsanwälte von medizinischen Berichten über die körperliche Verfassung des 22 Monate alten Cooper. Sie machen sich auf die Suche nach Hinweisen auf Vernachlässigung, Missbrauch oder Gewalt.

(pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort