"Yes means yes" Warum Kalifornien Sex an Unis gesetzlich regelt

Eigentlich formuliert das neu beschlossene Gesetz aus Kalifornien eine Selbstverständlichkeit: Bevor es zum Sex kommt, müssen beide Partner deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie damit einverstanden sind. Viele US-Studentinnen wissen leider, dass es auf dem Campus oftmals anders zugeht. Sexuelle Gewalt ist dort Dauerthema.

Emma Sulkowicz protestiert mit einer Matratze gegen sexuelle Gewalt
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Emma Sulkowicz protestiert mit einer Matratze gegen sexuelle Gewalt

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Die Kunststudentin Emma Sulkowicz ist in Amerika eine Symbolfigur geworden. Seit dem Beginn des Semesters trägt sie eine schwere blaue Matratze mit sich herum. "Carrythatweight", also "TragedasGewicht" heißt ihr Projekt, dem sich zahlreiche Studentinnen angeschlossen haben und es im Netz publik machen.

Sulkowicz symbolisiert mit ihrer Matratze Protest gegen sexuelle Gewalt und leidvolle persönliche Erfahrung. Vor zwei Jahren, so erzählt sie, wurde sie von einem Kommilitonen vergewaltigt. Auf einer Matratze in ihrem eigenen Zimmer im Studentenwohnheim der New Yorker Columbia University.

Demütigung vor einem Uni-Gremium

Obwohl sie Polizei und Universitätsleitung informierte, blieb er unbestraft. Im Gegenteil: Vor einem Gremium habe sie auf demütigende Art und Weise Einzelheiten schildern müssen. Der Uni reichte das nicht. Wegen mangelnder Beweise wurde der Beschuldigte freigesprochen. Er und Sulkowicz besuchen bis heute die gleiche Universität. Für die Studentin ein unerträglicher Zustand. Die Matratze will sie so lange mit sich tragen, bis sich das ändert.

Ihr Protest stieß an US-Unis und im Netz auf gewaltige Resonanz. Zahllose Studentinnen erklärten sich mit ihr solidarisch. Auf einer eigens eingerichteten Facebookseite sind seitdem Gruppen von jungen Frauen aus verschiedensten Ecken Amerikas zu sehen. Gemeinsam tragen sie schwere, blaue Matratzen. Denn rein statistisch betrachtet hat jede fünfte von ihnen eine ähnliche Erfahrung wie Sulkowicz gemacht.

Die Klage über chronische sexuelle Belästigung an US-Unis blieb bisher weitgehend folgenlos. Die Opfer fühlen sich oftmals weder von Universität noch Polizei ernst genommen. Stattdessen sehen sie sich dann mit Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit konfrontiert.

Meist schwingt dann der Vorwurf mit, die Frau habe stillschweigend Einverständnis signalisiert. Lächeln, ein kurzer Rock, ein Flirt. Hinzu kommt, dass sich Ermittlungen in solchen Fällen meist als schwierig erweisen. Zudem haben die wenigsten Universitäten an aufsehen erregenden Skandalen. "Die Ignoranz war fast so schlimm wie die Tat selber", sagt eine Betroffene.

Washington hat sich der Sache angenommen

Das Problem ist auch in Washington bekannt. Das Weiße Haus setzte eine Untersuchungskommission ein. Deren Bericht ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Niemand ist gefährdeter, vergewaltigt oder missbraucht zu werden, als Frauen an unseren nationalen Universitäten." Universitäten wurden aufgefordert, sich der Problematik anzunehmen. Etwa mit Präventionsprogrammen, mehr Transparenz oder Anlaufstellen. Einige Unis haben bereits damit begonne und sensibilisieren Studenten beispielsweise in Seminaren für Erstsemester, wie die "New York Times" berichtet.

Umso größer ist nun das Aufsehen, das die neue kalifornische Gesetzgebung erregt. Vor dem Sex müssen beide Partner aktiv Zustimmung signalisieren. Freiwillig und bei vollem Bewusstsein, verbal oder auch mit einem Nicken. Wer schläft oder wegen Alkohol, Drogen und Medikamente nicht mehr Herr seiner Sinne ist, kann folglich keine belastbare Zustimmung zum Sex mehr geben.

Was nicht brutal ist, zählt nicht als Vergewaltigung

Das Gesetz dreht somit die Beweispflicht um: Musste bislang das Opfer nachweisen, dass es sich ausreichend zur Wehr gesetzt hatte, muss nun der Beschuldigte glaubhaft machen, dass es ein Einverständnis gab. "Yes means yes", lautet das dazugehörige Schlagwort. "Ja heißt Ja". Dass das im Einzelfall zu ähnlich komplizierten Rechtsfällen führen kann, liegt auf der Hand.

Die Universität von Kalifornien begrüßte die schärferen Regeln jedenfalls. Die klare Definition der Einwilligung zum Sex sei "ein extrem wichtiger Faktor" bei der Verfolgung von sexueller Gewalt auf dem Universitätsgelände, sagte eine Sprecherin. Auch Aktivistinnen äußerten sich lobend. "Es verändert die kulturelle Wahrnehmung von dem, was eine Vergewaltigung ist", sagte etwa Sofie Karasek den San Jose Mercury News. "Da ist diese allgegenwärtige Vorstellung, dass es nicht wirklich zählt, wenn es nicht extrem brutal zuging."

(pst)
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