Irakische Comedyserie verspottet den IS Wenn Muslime über Islamisten spotten

Bagdad · Eine Comedy-Serie im irakischen Fernsehen zieht die Terrorgruppe "Islamischer Staat" durch den Kakao. Das ist nicht ohne Risiko.

 Schauspieler und technisches Personal arbeiten in einem Fernsehstudio in Bagdad in den Kulissen der Comedy-Serie "Staat der Mythen", die die Terror-Organisation "Islamischer Staat" nach Strich und Faden veralbert. Doch nur wenige der Mitwirkenden wollen ihren Namen veröffentlicht wissen - zu groß ist die Angst vor blutiger Rache der Extremisten.

Schauspieler und technisches Personal arbeiten in einem Fernsehstudio in Bagdad in den Kulissen der Comedy-Serie "Staat der Mythen", die die Terror-Organisation "Islamischer Staat" nach Strich und Faden veralbert. Doch nur wenige der Mitwirkenden wollen ihren Namen veröffentlicht wissen - zu groß ist die Angst vor blutiger Rache der Extremisten.

Foto: AFP

Der gefährlichste Mann der Welt fuchtelt mit seinen Armen und brüllt seine zwei Untergebenen an: "Findet mir wen, auch wenn es ein Dieb ist, aus dem wir einen Imam machen können! Er darf aber nichts über Religion wissen. Wenn wir diesen Mann bezahlen, dann soll er machen, was wir wollen." Seine Lakaien nicken, während Abu Bakr al Baghdadi in schwarzer Kutte und mit angeklebtem Bart nervös hin und herläuft.

"Wir brauchen jemanden mit einer dunklen Vergangenheit, jemanden, den wir erpressen können", fügt einer seiner Männer hinzu, der eine dunkelgrüne Uniform der Baath-Partei trägt, das einstige Macht- und Kontrollinstrument des irakischen Diktators Saddam Hussein. Der andere Untergebene, ein kleinwüchsiger Choleriker, fällt ihm wütend ins Wort: "Wir sind Daisch, wir bringen die Menschen einfach um!"

Daisch ist das arabische Kürzel für den Islamischen Staat (IS), aber es ist auch eine Verballhornung, denn es ähnelt dem arabischen Wort für "niedertreten". Die Terroristen finden schließlich einen Kriminellen, den sie der Dorfgemeinde als neuen Imam präsentieren und der ihre Sicht der Dinge predigt. Kurzum: Es ist ein Dschihad der Dilettanten.

In der Comedy-Serie "Dawlat al Khurafa" ("Staat der Mythen") wird der IS in 27 Folgen nach Strich und Faden veralbert. "Der IS glaubt, Klimaanlagen, Speiseeis und Haarschnitte seien verboten. Wir wollen den IS lächerlich machen. Die Serie ist unsere Form von Widerstand", sagt Regisseur Ali Qasim, der mit dem Entsetzlichen Scherze treibt. Zwar gibt es in der arabischen Welt zahlreiche Versuche, den IS zu verhöhnen. Schauspieler aus dem palästinensischen Ramallah haben etwa ein Propagandavideo des IS persifliert; im syrischen Damaskus wird eine Youtube-Serie produziert, in der IS-Kämpfer in einer Talentshow bestehen müssen, und in der libanesischen "Ktir Salbe Show" hört man regelmäßig Witze über den IS. Die irakische Comedy ist aber die erste Fernsehserie zu diesem Thema.

"Staat der Mythen" spielt in einem kleinen, namenlosen Dorf, welches vom IS besetzt wurde. Die Hauptpersonen sind der liberale Dorf-Imam, der Bürgermeister und dessen Familie, die sich allesamt gegen die Terroristen stellen. Zwar sind Kulissen, Dialoge und Figuren simpel gehalten, dennoch ist die Satire stellenweise zum Schreien komisch. Etwa als Baghdadi einem Betrunkenen erklärt, dass man ihn ermorden müsse, denn der Islam verbiete Alkohol. "Aber wir können dich retten, indem wir dir einen Job anbieten", sagt der selbst ernannte Kalif gönnerhaft, der hinter seinem gold-lila-farbenen Thron heimlich trinkt. Der Besoffene freut sich und jubelt: "Lang lebe Daisch!"

Als die Islamisten in einem Flugzeug sitzen, fordert die Stewardess die dümmlich dreinschauenden Männer auf, die Gurte nicht zu sehr festzuzurren. "Sie tragen alle Sprengstoffgürtel, bitte seien Sie vorsichtig", sagt die Flugbegleiterin. Pikiert darüber, dass eine Frau sie ermahnt, gründen die IS-Leute prompt eine eigene Airline.

Produziert wurde die Comedy in Bagdad; das irakische Staatsfernsehen Al Iraqiya TV strahlte sie im September aus. Alle Folgen sind auf Youtube auf Irakisch-Arabisch abrufbar, leider ohne englische oder hocharabische Untertitel. Aus Furcht vor Fundamentalisten wollten einige Akteure freilich nicht namentlich im Abspann erwähnt werden. Auch der Schauspieler, der Baghdadi darstellt, wollte anonym bleiben. Anders Oday Abdul Satar, der den kleinwüchsigen Lakaien spielt: "Ich bestand darauf, genannt zu werden. Denn ich will am Kampf gegen den IS teilnehmen."

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Doch die Freiheit, über den Schrecken zu lachen, hat ihre Grenzen. Im Vorspann zur Serie begrüßten ein amerikanischer Cowboy, die Frau des Emirs von Katar, eine Frau mit einem an einer Halskette hängenden Davidstern, und der Teufel den aus einem Ei schlüpfenden Baghdadi. "Wir werden ihn nähren, wir werden ihm Waffen geben", singen die vier und tänzeln um den Neugeborenen herum.

Doch nach Beschwerden aus dem Golfstaat, aber auch aus den USA und von der irakischen Regierung, so heißt es, wurde das Intro aus dem Programm genommen. "Die Beziehungen zu den Golfstaaten haben sich in den letzten Zeiten gebessert. Wir wollen dies nicht in irgendeiner Weise negativ beeinflussen", sagte Thaer al-Hasnawi, ein Autor der Serie, in einem Fernsehinterview, was wahrscheinlich die diplomatische Formulierung dafür ist, dass Druck ausgeübt wurde.

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Die Serienmacher beschränken sich nicht darauf, die menschenverachtende Ideologie des IS der Lächerlichkeit preiszugeben, indem sie die Dschihadisten im Chor singen lassen: "Wir verbieten allen außerehelichen Sex, außer mit Dschihad-Kämpfern." Es sind vielmehr gerade die Seitenhiebe, die den "Staat der Mythen" über bloßen Klamauk und reines Amüsement hinausheben.

So findet in Folge 26 die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar statt, wo das Team des IS es ins Finale schafft. Auf den schwarzen Trikots der Terroristen steht die Zahl der Toten, die sie ermordet haben. Sie spielen gegen ein Team, welches mit weißen Trikots die internationale Gemeinschaft symbolisiert. Die Milizen rennen mit blutigen Krummdolchen über den Platz, Baghdadi sitzt angespannt am Spielfeldrand. Der IS gewinnt schließlich, indem er den Sohn des Schiedsrichters kidnappt und einige Spieler umbringt. "Der Pokal ist voll mit Blut von Unschuldigen und mit den Tränen von Müttern, die ihre Kinder verloren haben", sagen die Sportkommentatoren im Stadion. Nur einmal entgleist der Humor der Comedy-Macher. In einer Folge erscheint der Dorfgemeinde der Geist Adolfs Hitlers. Der Imam will von Hitler wissen, ob er mit Daisch zusammenarbeite, er spiele ja, was das Verbreiten von Tod und Schrecken angehe, in einer vergleichbaren Liga: "Nein, ich habe keine Deutschen umgebracht, ich habe keine Kinder ermordet, und ich habe mich niemals wie eine Frau verschleiert, um unerkannt wegzurennen. Ich bin Hitler!", brüllt der Diktator.

Die Serie hat ein ziemlich optimistisches Ende. Während der IS in der Realität schon weite Teile des Iraks und Syriens eingenommen hat, kann er im Fernsehen aufgehalten werden. Die Dorfgemeinschaft schafft es, Baghdadi gefangen zu nehmen. Seine beiden Lakaien versuchen zu fliehen, auch der Betrunkene tritt aus dem IS aus. Als der Terrorist auf dem Boden vor der Gemeinde kniet, fragen die Bewohner den Imam, ob sie ihm den Kopf abhacken sollen. Der Imam antwortet: "Nein, wir sind nicht wie Daisch, wir bringen niemanden um."

(RP)
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