Saijda Mughal überlebte die Anschläge von London "Dieser Tag hat sich in mein Gehirn eingebrannt"

London · Zehn Jahre sind vergangen seit den Terroranschlägen von London. 56 Menschen starben damals, mehr als 700 Menschen wurden verletzt. Sajda Mughal gehört zu den Überlebenden der Anschläge. Heute kämpft sie gegen islamistischen Extremismus.

 Das Twitter-Profil von Sajda Mughal.

Das Twitter-Profil von Sajda Mughal.

Foto: Screenshot Twitter

Am Morgen des 7. Juli 2005 hatten drei Selbstmordattentäter praktisch zeitgleich Bomben in drei U-Bahnzügen gezündet. Knapp eine Stunde später sprengte sich der vierte Attentäter in einem Bus in die Luft. Es war der schwerste Anschlag in der Geschichte Großbritanniens. Auch Sajda Mughal, damals 22, wird diesen Tag nie vergessen.

"Die Tragödie, die ich an diesem Tag erlebt habe, hat sich in mein Gehirn eingebrannt, schreibt sie in einem Beitrag der Nichtregierungsorganisation Jan Trust, für die sie tätig ist. "Es war genau der gleiche Tag, der mein Leben verändert hat."

22 Jahre jung war Mughal damals und auf dem Weg zur Arbeit. Normalerweise, so schreibt sie, setze sie sich immer in den ersten Waggon der U-Bahn, doch da sie zu spät dran war, schaffte sie es nicht mehr bis ganz nach vorn, sondern musste in einen Waggon in der Mitte einsteigen — das dürfte ihr das Leben gerettet haben. Denn in dem ersten Waggon befand sich jener Selbstmordattentäter, der sich nur wenige Augenblicke, nachdem die U-Bahn die Station King's Cross verlassen hatte, in die Luft sprengte.

"Das erste, was ich hörte, war ein riesiger Knall, das lauteste Geräusch, das ich jemals gehört habe, und dann Stille", schreibt Sajda Mughal. Das Licht sei ausgegangen, schwarzer Rauch habe nach und nach den Waggon gefüllt. Die junge Frau schreibt, dass sie dachte, der Zug sei entgleist, und jeden Moment könnte ein anderer auf sie draufknallen. "Ich habe ehrlich gedacht, das war es." Doch nach einer dreiviertel Stunde kamen die Retter, brachten die Menschen aus dem U-Bahn-Schacht ans Licht.

Sajda Mughal überlebte unverletzt, erfuhr dann aus den Nachrichten, dass die Attentate von Muslimen verübt worden waren. Auch sie ist Muslima und war geschockt. "Der Islam sagt, wenn du ein unschuldiges Leben nimmst, ist es, als würdest du die ganze Menschheit töten", sagte sie dem britischen "Telegraph". "Sie handelten völlig gegen den Islam."

Immer wieder habe sie sich gefragt: Wer hat diese Männer manipuliert? Warum taten sie das? Fragen, die sie nie loslassen sollten. Sie wechselte ihren Job, fing bei der Organisation Jan Trust an und fand dort ihre Aufgabe: den islamistischen Extremismus zu bekämpfen. Sie schult muslimische Frauen, Anzeichen dafür zu erkennen, ob ihre Kinder in den Islamismus abrutschen könnten. Sie hält Vorträge an Schulen, erzählt dort ihre Geschichte.

Manche Schüler hätten ihr erzählt, sie würden Sympathie mit den Attentätern empfinden. Dann sage ich ihnen, sie sollten sich vorstellen, ihre Mutter, Schwester oder ein Freund hätten in den U-Bahnen oder in dem Bus gesessen. "Es ist wichtig, den Dialog von Angesicht zu Angesicht zu haben und Gegenargumente zu liefern und nicht, sie ins Internet zu schicken und dort nach Antworten suchen zu lassen", sagte sie dem "Telegraph".

Am zehnten Jahrestag der Anschläge erinnert auch Sajda Mughal auf ihrem Twitter-Account, dass der Horror dieses Tages nie vergessen werden wird.

Und dass alle Gemeinschaften, Kulturen und Glaubensrichtungen zusammenhalten müssen gegen den Terror. Denn auch das hatte sie selbst erlebt nach den Anschlägen: Dass sie selbst angefeindet wurde, weil sie Muslima war — und zugleich Überlebende.

(das)
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