Schweres Zugunglück in Italien Mangelhaftes Sicherheitssystem als Ursache?

Andria · Das schwere Zugunglück an Italiens Adriaküste wurde womöglich durch ein mangelhaftes Sicherheitssystem verursacht. Das Signalsystem auf der eingleisigen Strecke bei Bari sei eines der "riskantesten", sagte Verkehrsminister Graziano Delrio am Mittwoch in Rom.

Zugunglück im Süden von Italien: Viele Tote und Verletzte
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Zugunglück mit mehreren Toten im Süden Italiens

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Eventuelles menschliches Versagen bekomme dadurch eine große Tragweite. Die Zahl der Todesopfer bei dem Zusammenstoß zweier Passagierzüge am Dienstag wurde derweil von 25 auf 23 nach unten korrigiert.

Verkehrsminister Delrio informierte das Parlament in Rom, dass das Signalsystem an der Unglücksstrecke "eines der am wenigsten ausgeklügelten und eines der riskantesten" sei. "Leider bedeutet ein solches System, dass die Kontrolle bei Menschen liegt", fügte er hinzu. Dies ermögliche folgenschweres menschliches Versagen.

Genauere Informationen zur Unglücksursache dürfte die Auswertung der Unfalldatenschreiber der beiden Züge bringen, die mittlerweile geborgen wurden. Mindestens einer der beiden Züge soll mit hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein.

Die Tragödie hatte sich am Dienstag bei Bari auf einem eingleisigen Streckenabschnitt zwischen Corato und dem etwa zehn Kilometer entfernten Andria ereignet. Die Bahnhofsvorsteher der beiden Orte müssen sich stets telefonisch darüber verständigen, welcher Zug Vorfahrt hat.

"Eins ist klar: Auf einer eingleisigen Strecke können nicht zeitgleich zwei Züge sein", sagte Feuerwehrsprecher Enrico Curzio. Die private Bahngesellschaft Ferrotramviaria teilte mit, alle Unterlagen über die Kommunikation zwischen den Bahnhöfen seien den Justizbehörden übergeben worden.

Die Zeitung "La Stampa" berichtete, noch in diesem Monat sollte eine Ausschreibung zur Modernisierung des Sicherheitssystems auf der fraglichen Bahnstrecke und zur Einrichtung eines zweiten Gleises starten. Etwa 55 Prozent des italienischen Bahnstreckennetzes sind eingleisig.

Der Zeitung zufolge wurden von der EU zur Verfügung gestellte Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro für den Haushalt 2007 bis 2013 zum Bau zweiter Gleise größtenteils nicht genutzt. Delrio kündigte nun im Parlament an, die Regierung werde sofort 1,8 Milliarden Euro in regionale Bahnstrecken investieren.

Das Krankenhaus von Bari, in dessen Leichenhalle die Unglücksopfer gebracht wurden, teilte am Mittwoch mit, es gebe 23 Tote. Der Zivilschutz hatte zwischenzeitlich von 25 Todesopfern gesprochen. Zwei Menschen wurden demnach noch vermisst. Von den insgesamt 52 Verletzten wurden 24 weiterhin im Krankenhaus behandelt. Vor dem Krankenhaus in Bari riefen wütende Angehörige "Lasst uns unsere Toten haben", weil sie bei sengender Hitze vor dem Gebäude warten mussten. In die Leichenhalle wurde nur eine begrenzte Zahl an Angehörigen gelassen.

An Bord der beiden Züge waren Studierende, Landarbeiter, Büroangestellte, Großeltern und Kinder. Eine Mutter und ihr Kind konnten nur noch tot aus den Trümmern eines Waggons geborgen werden. Ein sechsjähriger Junge wurde lebend befreit, neben ihm seine tote Oma.

(lai/AFP)
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