Regensburg/Bayreuth Bayerns endloser Justizfall Gustl Mollath

Regensburg/Bayreuth · Das Landgericht Regensburg sagte Nein zum Wiederaufnahmeverfahren eines Mannes, der seit 2006 vielleicht zu Unrecht in der Psychiatrie sitzt.

"Wahn und Willkür" – der Titel der in die finale Runde um den Sieg bei der Bayern-Wahl am 15. September platzierten Streitschrift des Finanzbeamten a.D. Wilhelm Schlötterer passt zur nun wieder festspielenden Richard-Wagner-Stadt Bayreuth. Und er passt zu dem seltsamen, wenn nicht haarsträubenden Justizstück um den 56 Jahre alten Anstaltsinsassen Gustl Mollath. Für Schlötterer ist dieser in der Bayreuther Psychiatrie zwangsweise untergebrachte Mann weder ein Straftäter, wie seinerzeit die Strafkammer meinte, noch ein Geisteskranker, sondern vielmehr ein armer Teufel, der zum Justizopfer wurde. Der umstrittene Schlötterer holt aus: Mollath sei das Opfer des seit den Tagen von Franz Josef Strauß verkommenen, CSU-dominierten "Systems" in Bayern.

Bei Schlötterer wie bei Mollath könnte Wahn eine Rolle spielen. Es könnte aber auch sein, dass zu Lasten Mollaths seit Jahren Freistaats-Willkür geübt wurde. Kein Zweifel besteht daran, dass die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) argumentative Purzelbäume geschlagen hat beim Versuch, ihre Meinung zum Fall Mollath zu Gunsten des Letzteren zu ändern. Merks Wandlung dürfte eine dem Wahlkampf geschuldete Anpassung an die herrschende Volksmeinung sein. Letztere neigt der Ansicht von Mollaths Anwalt zu, wonach sein Mandant kein Fall für die Psychiatrie, sondern zum Opfer von Rechtsbeugung geworden sei. Ein schwererer Vorwurf gegen einen Richter lässt sich nicht denken, Rechtsbeugung ist ein Verbrechen.

Das Landgericht Regensburg teilt den Vorwurf nicht. Anderenfalls hätte es gestern nicht zu dem Ergebnis kommen können, eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Mollath sei abzulehnen. Die Wiederaufnahme-Anträge waren von Mollaths Anwalt sowie von der Staatsanwaltschaft gestellt worden. Und die in politische Nöte geratene Justizministerin betonte ihrerseits, wie sehr sie sich eine solche Wiederaufnahme wünsche.

Mollath war in die Psychiatrie eingewiesen worden, weil ihn 2006 das Gericht in Nürnberg-Fürth für gemeingefährlich hielt. Im Urteil wurde als Tatsache gewertet, dass der gescheiterte Autohändler seine von ihm geschiedene Frau mehrfach schwer misshandelt und dass er in seinem geisteskranken Zustand reihenweise Autoreifen zerstochen hat. Mollath hatte die Vorwürfe stets bestritten und seine Frau dafür verantwortlich gemacht. Vor allem versuchte Mollath nachzuweisen, dass seine Frau als Angehörige einer großen bayerischen Bank mitverantwortlich für ein illegales System von Schwarzgeldverschiebung in die Schweiz sei. Beweise dafür gibt es nicht.

Einige der Unsauberkeits-Vorwürfe wurden jedoch von einem Revisionsbericht der Bank gestützt. Die Unterstützer Mollaths machen auf grobe Verfahrensfehler und eine selektive Berücksichtigung von Beweismitteln aufmerksam. In ihrer Begründung für den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betonte die Staatsanwaltschaft, bei dem ärztlichen Attest, mit dem Mollaths Frau die Misshandlungen belegt hatte, habe es sich um eine unechte Urkunde gehandelt. Das Landgericht Regensburg hingegen sagte, zwar stamme das Attest nicht von der auf dem Attest angegebenen Ärztin, jedoch habe ein approbierter Arzt als deren Vertreter das Attest ausgestellt. Somit handele es sich nicht um eine unechte Urkunde zu Lasten Mollaths. Einen zulässigen Wiederaufnahmegrund erkannte das Gericht nicht. Die wohl nicht jedermann einleuchtende Begründung lautete: "Nicht ausreichend ist, wenn im Rahmen eines Urteilsverfahrens Fehler gemacht werden oder ein Urteil Sorgfaltsmängel erkennen lässt. Für eine bewusste Sachverhaltsfälschung des Landgerichts Nürnberg ergeben sich keine Anhaltspunkte."

Unabhängig von der Wiederaufnahme-Frage bleibt klar: Mollath könnte aus der Psychiatrie frei kommen, wenn die Vollstreckungskammer meint, dass er nicht länger als gemeingefährlich einzustufen sei, der Verbleib in der Psychiatrie also ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Freiheit bedeutete.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort