Neue Spekulationen über Tatmotiv Behörden: Polizistenmörder plante keinen Terrorakt

Dortmund (dpa/lnw). Die Polizistenmorde im Ruhrgebiet stehen nach Ansicht nordrhein-westfälischer Behörden in keinem direkten Zusammenhang mit der rechtsradikalen Szene. Die Ermittler gingen weiter davon aus, dass die Zugehörigkeit des Todesschützen zur rechten Szene nicht die Ursache für seinen Amoklauf gewesen sei, sagte der Dortmunder Oberstaatsanwalt Heiko Oltmanns am Sonntag.

Der "Spiegel" berichtet in seiner neuesten Ausgabe, der 31-jährige Michael Berger sei vermutlich an den Vorbereitungen zu einem terroristischen Anschlag beteiligt gewesen und habe seine Enttarnung gefürchtet. Das NRW-Innenministerium betonte demgegenüber, nach bisherigen Erkenntnissen gebe es keine Hinweise auf eine Verstrickung in terroristische Aktivitäten.

In der Wohnung Bergers hätten Polizeibeamte neben vielen Waffen auch eine Fahne mit fünfzackigem Stern und Maschinenpistole - das Symbol der Roten Armee Fraktion (RAF) - gefunden, berichtet das Nachrichtenmagazin weiter. Berger sei nicht nur Mitglied der rechtsextremen Deutschen Volks-Union (DVU) und der Republikaner gewesen, sondern habe auch mit der NPD sympathisiert.

Ferner sei er mit bekannten Rechtsradikalen befreundet gewesen - darunter Siegfried Borchardt, genannt SS-Siggi, früherer Adlatus des Extremistenführers Michael Kühnen. Berger war den Angaben nach im Informationssystem der Verfassungsschützer gespeichert. Zuvor hatte es auch geheißen, Berger habe die Polizei vermutlich gehasst, weil seine Ex-Freundin mit einem Polizisten liiert war.

Entsetzen nach Schändung der Trauerstätte

Für Entsetzen sorgte unterdessen die Schändung der Trauerstätte am Tatort in Dortmund. Unbekannte hatten in der Nacht zum Samstag Holzkreuze umgestürzt, Blumen und Kerzen durcheinander geworfen. An einer nahen Mauer waren in der Nacht die Parolen "Scheiß Bullen! Krepieren sollen sie alle! Elendig!" aufgesprüht worden. Die Kriminalpolizei sicherte Spuren, der Schriftzug wurde entfernt. NRW- Innenminister Fritz Behrens (SPD) zeigte sich bestürzt: "Diese menschenverachtenden Taten und der offensichtliche Hass gegen Polizeibeamte sind für mich unfassbar", sagte Behrens in Düsseldorf.

Behrens rief zu verstärkter Wachsamkeit gegen Gewalt und rechtsextremistisches Gedankengut auf. Angesichts der tödlichen Schüsse auf drei Polizisten "brauchen wir endlich ein Umdenken in unserer Gesellschaft", sagte Behrens. Gewalt und Intoleranz müssten stärker als bisher öffentlich geachtet werden. Nicht nur Polizisten, auch Lehrer und Fremde seien bedroht. "Wir dürfen jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", betonte der Minister auch mit Blick auf Hetzparolen gegen Polizisten.

Rund 8 000 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet werden am Montag in Dortmund zu einem Schweigemarsch erwartet. Die zentrale Trauerfeier für die drei ermordeten Beamten findet in Selm bei Dortmund statt. Auch Ministerpräsident Wolfgang Clement und der NRW- Innenminister wollen daran teilnehmen.

Der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen meinte, Gesetzgeber und Waffenindustrie müssten dem illegalen Besitz von 15 Millionen Schusswaffen in Deutschland den Kampf ansagen. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Focus" sagte er, es könne nicht sein, dass "in diesem Land die Wege von Kleinautos, Hundewelpen und Handys besser nachzuhalten sind, als die von lebensgefährlichen Faustfeuerwaffen".

(RPO Archiv)
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