Oslo Brand auf Nordseefähre war "Massenmord"

Oslo · Ein neues Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass wahrscheinlich Versicherungsbetrüger das Feuer gelegt haben.

Den Tod von 159 Menschen beim Feuer auf der Nordsee-Fähre "Scandinavian Star" vor 23 Jahren sollen Versicherungsbetrüger verursacht haben. Besatzungsmitglieder des Schiffes hätten das Feuer gelegt, erklärte eine zwölfköpfige Expertenkommission am Wochenende im norwegischen Bergen.

Die Fachleute hatten das Schiffsunglück vom 7. April 1990 im Skagerrak neu untersucht, weil viele Fragen bis heute ungeklärt blieben. Als Chef der Gruppe sagte der schwedische Brandexperte Håkon Winterseth: "Dies war der größte Massenmord in Nordeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg." Mitglieder der skandinavischen, philippinischen und portugiesischen Besatzung sollen die Brände im Auftrag ihrer Chefs gelegt haben, damit der fernab in Miami residierende US-Eigner eine Versicherungsprämie für das schlecht ausgerüstete und überversicherte Schiff einstreichen konnte. Bisher war für die Behörden ein selbst in seiner Kabine ums Leben gekommener Lkw-Fahrer aus Dänemark der alleinige Brandstifter. Er hatte bereits eine Vorstrafe wegen Brandstiftung. Doch die Experten sind sich nun einig, dass er es unmöglich gewesen sein kann, weil er längst tot war, als das letzte der mindestens vier Feuer ausbrach. Unstrittig bleibt, dass die hohe Zahl der Toten ihre Ursache auch in Sicherheitsmängeln, totaler Sprachverwirrung sowie fehlender Schulung der Besatzung hatte. Ein dänischer Reeder, dessen Geschäftsführer und der Kapitän wurden dafür mit je sechs Monaten Haft bestraft.

Nach Ausbruch des zentralen Brandherdes hätten Besatzungsmitglieder große Fensterscheiben mit Stühlen eingeworfen, so dass sich das Feuer schneller ausbreiten konnte, berichten Augenzeugen. Andere Passagiere hatten ausgesagt, dass Besatzungsmitglieder Matratzen und anderes leicht brennbare Material auf die Gänge gezerrt hätten, wodurch das Feuer zusätzlich Nahrung bekam. Doch dabei sei, so die Experten, die Planung der Brandstifter "völlig schiefgegangen". Sie hätten erst mit einem kleinen Brand die Evakuierung aller Passagiere und dann mit weiteren, größeren Feuern die Fälligkeit der Versicherungsprämie erzwingen sollen. Doch das erste Feuer sei zu mickrig geblieben, während das zweite außer Kontrolle geraten sei.

Ein Zeuge habe zudem berichtet, dass der Maschinenchef der Fähre später einen "Umschlag mit 800 000 Kronen" (heute: gut 100 000 Euro) überreicht bekommen habe. In der Zeitung "Aftenposten" stellte sich der für die letzte Untersuchung verantwortliche Norweger Øystein Meland hinter die Forderung nach einem Aufrollen des Falls: "Es gibt Elemente, die unklar sind."

Der Forderung der Expertengruppe nach einer neuen amtlichen Untersuchung schlossen sich schon Verantwortliche der offiziellen Ermittlungen an. Es tauchen bereits weitere Ungereimtheiten auf. So berichtete ein dänischer Sender, dass der beim Unglück als Feuerwehrchef auf das Schiff gerufene Ingvar Brynfors sagte, dass er damals nie von der Polizei verhört worden sei, obwohl er als erster Feuerwehrmann auf das Schiff gekommen sei.

(dpa)
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