Kampf gegen Drogen Wieder mehr Drogentote in Deutschland

Berlin/Düsseldorf · Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz wirkungsvoller gegen Drogen vorgehen. In Zukunft sollen auch Stoffgruppen statt einzelner Substanzen verboten werden können. Besonders synthetische Drogen bereiten Sorgen.

Der Kampf gegen Drogen in Deutschland hat einen herben Rückschlag erlitten. Wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, gestern mitteilte, stieg die Rauschgiftkriminalität im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent und liegt nach einer Reihe von erfolgreichen Jahren im Kampf gegen Drogenkriminalität mit knapp 270 000 polizeilich erfassten Fällen wieder auf dem Niveau von 2005.

Auch die Zahl der Drogentoten ist leicht auf 1032 angestiegen. 85 Prozent der Toten waren männlich; das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren. In NRW starben 184 Menschen in Folge ihres Rauschgiftkonsums (Rheinland-Pfalz: 55).

Das Bundeskriminalamt stellte im vergangenen Jahr Rekordmengen an Drogen sicher. Im September machten die Fahnder einen Fund von 330 Kilo Heroin, was einem Straßenverkaufswert von 50 Millionen Euro entspricht. Einen regelrechten Boom gibt es bei den synthetischen Drogen. Das Bundeskriminalamt beschlagnahmte im November auf einen Streich 2,9 Tonnen Chlorephedrin, womit den Fachleuten zufolge 2,3 Tonnen der den menschlichen Körper schnell zerstörenden Droge Crystal Meth hergestellt werden können. Straßenverkaufswert: 184 Millionen Euro. "Die großen Sicherstellungsmengen dieser beiden Substanzen sind einmalig in Deutschland", sagte BKA-Chef Holger Münch.

Der Vormarsch der synthetischen Drogen macht Regierung und Ermittlungsbehörden die größten Sorgen. Sie würden bei Rauschgift-Konsumenten immer beliebter, beklagte Münch. Neben Crystal Meth greifen Drogenkonsumenten immer häufiger zu "Neuen Psychoaktiven Substanzen" (NPS). In Deutschland gibt es dem Drogenbericht zufolge mittlerweile über 1500 Produkte mit rund 160 unterschiedlichen Substanzen. Allein im vergangenen Jahr seien 58 neue Wirkstoffe erstmals auf dem deutschen Markt festgestellt worden. Der Gesetzgeber kommt nur mühsam hinterher, jeden einzelnen Stoff zu verbieten. "Es müssen ganze Stoffgruppen unter Strafe gestellt werden", forderte Münch. Drogenbeauftragte Mortler kündigte für dieses Jahr ein neues Gesetz an, nach dem künftig solche Substanzen grundsätzlich als illegal eingestuft werden können. Es werde eine "mutige Lösung" geben, sagte sie.

Ein solches Gesetz würde auch der stellvertretende Leiter des größten deutschen Zollfahndungsamtes in Essen begrüßen. "Wir brauchen dringend eine neue Richtlinie, die auch den Besitz von Substanzen verbietet, die zur Herstellung der Drogen nötig sind", sagt Stefan Muhr. Denn die Kriminellen würden diese Gesetzeslücke seit Jahren ausnutzen. "Sie verändern zudem ständig die chemische Zusammensetzung der Drogen, so dass sie möglichst nicht auffallen", erklärt er. Seine Behörde hat fast täglich mit Drogendelikten zu tun. Gründe dafür seien unter anderem die rund 570 lange Grenze zu den Niederlanden und Belgien, über die die illegalen Substanzen ins und aus dem Land geschmuggelt werden, sowie die beiden Großflughäfen in Düsseldorf und Köln, an denen es laut Zoll "eine besonders große Rauschgiftproblematik" gebe.

Im vergangenen Jahr leitete das Zollfahndungsamt in NRW 1343 Ermittlungsverfahren im Rauschgiftbereich ein. Die Ermittler stellten dabei unter anderem chemische Grundstoffe aus Fernost zur Herstellung von 34 Millionen Ecstasypillen sicher. In einem weiteren Fall wurden drei Tonnen Cannabis mit einem Straßenverkaufswert von 30 Millionen Euro gefunden. Zwei Männer aus dem Sauerland schmuggelten das Rauschgift in Säcken mit Palmkernschalen.

Auch wenn es wieder mehr Drogentote in Deutschland gibt, beobachten die Ermittler schon seit einiger Zeit, dass sich der Markt im Umbruch befindet. "Wir stellen fest, dass immer mehr Kriminelle umsatteln und nicht mehr Drogen, sondern illegale Doping- und Potenzmittel sowie vermeintliche Antikrebspillen herstellen", sagt der Vizechef des Essener Zollfahndungsamtes. Solche illegalen Präparate werden in NRW häufig in häuslichen Untergrundlabors hergestellt, die die Fahnder immer häufiger entdecken - wie zuletzt in Witten. Dort hatte ein Physiotherapeut (28) illegale Dopingmittel hergestellt. Gefunden wurden bei der Durchsuchung Anabolikaampullen, Testosteronpräparate und selbst gemachte Potenzmittel.

(qua, )
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort