Justus Haucap im Interview Düsseldorfer Uni-Dekan würde Cannabis-Aktien kaufen

Düsseldorf · Der Wirtschaftsprofessor und Dekan seiner Fakultät an der Heine-Uni plädiert vehement für eine Legalisierung von Cannabis. Düsseldorf könnte eine Teststadt werden. Er selbst hat es schon ewig nicht mehr konsumiert und trinkt lieber mal ein Bier.

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Foto: shutterstock.com / Miss Nuchwara Tongrit

Herr Haucap, das Uniklinikum der Heinrich-Heine-Universität hat gerade verkündet, nicht mehr für eine das Modellprojekt zum legalen Konsum begleitende Studie zur Verfügung zu stehen. Ist das das Aus für legales Cannabis in Düsseldorf?

Justus Haucap Das kann ich schon nachvollziehen. Die Kosten für die Vorbereitung der Studie sind sicher, eine Genehmigung ist ziemlich ungewiss. Das war eine kaufmännische Entscheidung. Das ändert nichts daran, dass ich aus volkswirtschaftlicher Sicht für eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland bin, und ich Düsseldorf dafür als idealen Testmarkt betrachte. Immer mehr Länder legalisieren Cannabis, wie etwa Uruguay oder Kalifornien, das für sich genommen kleine Volkswirtschaft ist. Kanada ist die erste große Industrienation, in der Cannabis ab Juli flächendeckend legalisiert wird. Ich bin sicher, dass das über den Atlantik schwappt.

Was spricht aus Ihrer wissenschaftlichen Sicht für eine Legalisierung von Cannabis?

Haucap Nicht in erster Linie die erhofften Steuereinnahmen, was viele uns Ökonomen immer vorwerfen. Es geht vor allem um die Problem-Konsumenten, aber auch die normalen, also nicht therapiebedürftigen Gelegenheits-Kiffer. Diesen wird ein reguliertes Marktumfeld gegeben. Ich bin kein Mediziner, aber mir ist klar, dass Cannabis-Konsum gesundheitsschädlich ist, keine Frage. Gerade deshalb sollte man ihn staatlicher Kontrolle unterstellen und den illegalen Anbietern mit ihren kriminellen Strukturen das Wasser abgraben. Es ist eine politische Illusion, dass Cannabis durch ein Verbot einfach verschwindet und so ein effektiver Jugendschutz entsteht.

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Aber führt ein, wie Sie sagen, reguliertes Marktumfeld nicht zu einer weiteren Verbreitung der Droge?

Haucap Seien Sie doch nicht unrealistisch. Faktisch kann doch heute jeder in Deutschland nahezu überall völlig problemlos an Haschisch kommen. Leider haben die illegalen Händler keinerlei Bedenken statt an 18-Jährige auch an 16- oder 14-Jährige zu verkaufen. Da sich der gesamte Handel ja ohnehin im illegalen Bereich befindet, gibt es ein Kontroll-Problem. Bei einer Legalisierung und einer Lizensierung bestimmter Händler kann man Auflagen machen, die kontrolliert und bei Verstößen mit Bußgeldern und Lizenzentzug geahndet werden können. So ließe sich der Jugendschutz relativ gut kontrollieren. Wer sich nicht an den Jugendschutz hält, dem wird die Lizenz entzogen. So machen es bald auch die Kanadier.

Aber die Droge bleibt eine Droge.

Haucap Sicherlich. Aber heute denkt der Laie Cannabis ist Cannabis. In Wahrheit stecken teils Streckmittel und chemische Substanzen in den Stoffen, über die der Konsument gar nichts weiß. Bedingt durch die Illegalität können Pestizide in ungeahntem Ausmaß eingesetzt werden. Über Glyphosat in der Landwirtschaft können illegale Cannabis-Anbauer nur lachen. Ein legaler Anbau könnte eine ähnliche Kontrolle der Produktion wie bei Lebensmitteln möglich machen. Das macht die Droge zwar auch nicht gesund, aber doch weniger schädlich als heute mit Cannabis aus einem durch und durch illegalen und zwielichtigen Milieu.

Aber wo liegt der Preis?

Haucap Ein ganz wichtiger Punkt. Der Preis darf nicht zu hoch sein, sonst bleibt der Markt für illegales Cannabis erhalten. In Colorado ist ein Preis in Höhe von zehn bis 20 Prozent über dem von illegalem Cannabis marktfähig. Dieser Aufschlag dürfte es den Konsumenten wert sein, zu wissen, was man kauft.

Aber warum sollte man mehr zahlen wollen?

Haucap Vergleichen Sie das mit illegal selbstgebranntem Schnaps. Den würden Sie auch bei einem Ihnen völlig unbekannten Straßenverkäufer nicht kaufen, sondern lieber in den Supermarkt gehen, weil Sie sonst Angst haben müssen, von dem Gesöff blind zu werden.

Wo sehen Sie die Preise konkret?

Haucap Sicher nicht bei 30 Euro für ein Gramm. Der Preis muss im Rahmen bleiben. Zehn Euro liegen heute sicher im oberen Bereich.

Aber durch seine Illegalität ist der Markt doch völlig intransparent...

Haucap Auf der Internetseite www.graspreis.de melden Konsumenten die zuletzt gezahlten Preise. Regional gibt es große Schwankungen. Auf der Seite kann man auf einer großen Landkarte sehen, dass die Preise in NRW wohl aufgrund der Nähe zu den Niederlanden niedriger sind als im Bundesdurchschnitt.

Wie groß schätzen Sie den Gesamtmarkt ein?

Haucap Da gibt es sehr große Bandbreiten bei den Schätzungen, zwischen 200 und 600 Tonnen in der gesamten Bundesrepublik. Das würde einen Markt irgendwo zwischen zwei und sechs Milliarden Euro ausmachen. Man darf das Ganze nicht überschätzen. Die Deutschen sind ein Volk der Biertrinker. Die Zahlen des konsumierten Cannabis wird an diese "Volksdrogen" niemals herankommen, auch nicht bei einer Legalisierung. Allerdings ist die Tonnenzahl auch nicht besonders aussagekräftig wegen der Schwankungen beim THC-Gehalt.

Wie könnte eine Besteuerung bei Hanfprodukten aussehen, und wer könnte profitieren?

Haucap Die Steuern müssten sich am THC-Gehalt bemessen. Harter Alkohol wird ja heute auch höher besteuert als Bier oder Wein. Die Steuern könnten Bund, Land oder die Stadt Düsseldorf bekommen. Das alles kann man regeln.

Welches könnten die legalen Verkaufsstellen sein?

Haucap Apotheken kämen in Frage. Dort ist ja auch heute schon Cannabis für medizinische Zwecke verfügbar. Doch die Apotheker sind wenig begeistert, sehen sie sich doch eher als Heilberufe. Am effizientesten wären sicher lizensierte Spezialgeschäfte. Dort sollte dann auch nur Cannabis verkauft werden, und nicht Chips und Bier. In einer Großstadt wie Düsseldorf ist der Markt wohl groß genug für mehrere Geschäfte. Dennoch wird das nicht das Ausmaß von Getränkeshops annehmen, wie gesagt, die Deutschen bleiben ein Volk der Biertrinker. Meines Erachtens müsste es für die Shops auch Auflagen geben, etwa die verpflichtende Auslage von warnendem Infomaterial, Hilfsstellen und ein Mindestabstand zu Schulen.

Ist es für die Landeshauptstadt Düsseldorf gut, dass die Stadt Heimat eines Testlaufs für die Legalisierung werden könnte?

Hacap Ja, das ist kostenlose PR, natürlich darf Düsseldorf dadurch nicht einen neuen Zweig im Tourismus aufmachen, denn diese Form der Touristen will man nicht zwangsläufig anziehen. Der Modellversuch steht Düsseldorf als liberale Stadt gut zu Gesicht, ein Vorteil ist auch die Nähe zu Holland.

Wie kann man die Erzeugerseite des Cannabismarktes wirklich legalisieren?

Haucap Indem man sie ähnlich kontrolliert wie heute die Bauern, die Lebensmittel anbauen. Ich bin mir übrigens todsicher, dass es bei einer Legalisierung Bio-Cannabis geben würde.

Wird Cannabis zum Wirtschaftsfaktor?

Haucap Wir arbeiten gerade an einer Studie für den deutschen Hanfverband. Neben Steuern und Mehrwertsteuern würden die Beschäftigten in dieser neuen Branche ja auch Lohnsteuer zahlen, die Erzeuger Gewerbesteuer, die Mitarbeiter Sozialversicherungsabgaben. Dieses Geld bleibt heute alles in der Kriminalität. Außerdem würde die Legalisierung Gerichte und Polizei entlasten, die heute viel Arbeit investieren in Verfahren, die ohnehin meist eingestellt werden. Sie könnten sich wichtigeren Dingen widmen. In den Ländern, in denen Hanf-Produkte legal sind, gibt es schon börsennotierte Unternehmen aus dieser Branche. Ich würde Cannabis-Aktien kaufen, ein wachsender Markt. Allerdings sind die Aktien hoch volatil, ich rate also zu einer Form von Beruhigungsmitteln (lacht).

Wann haben Sie das letzte Mal gekifft?

Haucap Das ist schon sehr lange her, aber ich hab schon mal gekifft. Ach so, ich hab natürlich nicht inhaliert (lacht). Ich trinke lieber Bier oder Wein. Aber ich verrate Ihnen, dass ich selbst schon Cannabis-Aktien gekauft habe.

THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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