50.000 Demonstranten nahe Gorleben Castor-Zug erreicht Deutschland

Kehl/Gorleben (RPO). Der Castor-Transport mit Atommüll hat Deutschland erreicht: Kurz vor 14.00 Uhr überquerte der Sonderzug bei Kehl die französisch-deutsche Grenze. Im Kehler Bahnhof stoppte der Zug zunächst.

Die Proteste gegen den Castor-Transport
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Atomkraftgegner hatten die Durchfahrt eigentlich im pfälzischen Grenzort Berg erwartet, wo mittags mindestens 800 Menschen auf den Gleisen saßen und die Bahnstrecke blockierten. Die Organisatoren sprachen von knapp 1.300 Protestierern. Gegen 13.30 Uhr begann die Polizei dort mit der Räumung.

Der Castor-Zug soll Montagmorgen das Atommülllager Gorleben in Niedersachsen erreichen. Im Wendland versammelten sich mittags nach Angaben der Veranstalter mehr als 50.000 Menschen zur zentralen Protestkundgebung. Zahlreiche Atomkraftgegner steckten zunächst noch in Verkehrsstaus in der Region fest. Mit mehr als 400 Bussen waren Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Bauern aus der Region sowie aus angrenzenden Gebieten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins kamen mit rund 600 Traktoren zu der Kundgebung.

Die Polizei legte sich zunächst nicht auf eine Teilnehmerzahl fest. Der Verkehr sei zusammengebrochen, sagte ein Sprecher in Lüneburg. Zwischenfälle habe es zunächst nicht gegeben. "Das hat unverändert Happeningcharakter", sagte der Sprecher weiter.

Nahe Splietau blockierten Bauern mit rund 250 Traktoren eine Straße in Richtung Atommülllager, die sogenannte Südstrecke.

16 Greenpeace-Aktivisten in Polizeigewahrsam

Vor der Grenze auf französischer Seite in Hausbergen kurz vor Lauterbourg nahm die Polizei 16 Greenpeace-Aktivisten in Gewahrsam. 14 von ihnen hatten sich auf die Schienen gelegt, zwei hatten sich mit Röhren an den Schienen festgemacht, wie Greenpeace-Sprecher Andreé Böhling der Nachrichtenagentur dapd bestätigte. Der Zug war deswegen gegen 12.15 Uhr zum Stehen gekommen, bis die Röhren mit einem Metallschneider durchtrennt wurden.

In der Ortschaft Metzingen im Kreis Lüchow-Dannenberg war die Polizei am Freitagabend erneut gegen Atomkraftgegner vorgegangen. Rund 150 Demonstranten hätten während eines Laternenumzugs die Bundesstraße 216 blockiert, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage. Sie seien daraufhin von Beamten zur Seite gedrängt worden. Dem Sprecher zufolge warfen im Anschluss an die Räumung rund 20 teilweise vermummte Personen Feuerwerkskörper. In Metzingen war es bereits am Donnerstagabend zu einem Polizeieinsatz gekommen, nachdem Castorgegner im Rahmen einer sogenannten "Landmaschinenschau" die Bundesstraße versperrt hatten.

Eine Demonstration von Atomkraftgegner am Freitagabend in Lüneburg verlief nach Polizeiangaben friedlich. An der Aktion hätten sich 900 Menschen beteiligt. Bürgerinitiativen sprachen von mehr als 2.000 Teilnehmern.

Merkel: Keine Alternative zum Atommüllendlager

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf einem Landesparteitag der NRW-CDU am Samstag in Bonn, sie sehe keine Alternative zu einem Atommüllendlager in Deutschland. SPD und Grünen warf sie vor, sich in der Frage der Erkundung einer solchen Endlagerstätte wie Gorleben jahrelang "weggeduckt" zu haben. Mit Blick auf die Proteste gegen den Castor-Transport kritisierte Merkel die geplanten Aktionen einiger Demonstranten. Das sogenannte "Schottern" - also das Unterhöhlen der Gleise - sei keineswegs harmlos, sondern ein Straftatbestand. Friedliche Demonstrationen seien dagegen Teil der Demokratie.

Der Pressesprecher der "Schottern"-Kampagne, Christoph Kleine, entgegnete, die Aktion werde niemanden angreifen und niemanden gefährden. "Wir werden große, nicht zu übersehende Löcher in den Teil der Bahnstrecke machen, die an diesem Tag allein dem Castortransport vorbehalten ist." Es bestehe kein Grund zur Sorge, dass der Castor entgleisen könnte.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat die aktuellen Castor-Transporte mit Atommüll nach Gorleben verteidigt. Es gebe keine Alternative dazu, den bei der Stromerzeugung durch Kernenergie entstandenen Abfall "vernünftig" zu entsorgen, sagte Röttgen auf einem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen CDU am Samstag in Bonn.

Am Rande der Großdemonstration kritisierten Spitzenpolitiker der Grünen die Atompolitik der Regierung. Es sei "zynisch und eine Provokation der Bevölkerung, dass die Laufzeiten für die Atomkraftwerke weiter verlängert werden und das Endlager Gorleben weiter gebaut wird", sagte Parteichefin Claudia Roth in Splietau der Nachrichtenagentur dapd. "Gorleben ist ein illegaler Schwarzbau", sagte Roth. Sie forderte einen Neuanfang bei der Endlagersuche. Dabei müsse Gorleben außen vor bleiben, der Ort sei "politisch verbrannt".

Verfassungsschutz rechnet mit Gewaltbereitschaft

Vor der Ankunft des Atommülltransports in Deutschland forderte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Merkel (CDU) und die Chefs der vier Atomkraftwerksbetreiber in Deutschland zu einer Diskussion mit den Anti-Atomkraft-Demonstranten in Gorleben auf. "Frau Merkel und ihre vier Freunde sind es, die einen gesellschaftlichen Großkonflikt wieder eröffnet haben, der durch den Atomausstieg längst befriedet war", sagte Gabriel.

Der niedersächsische Verfassungsschutz rechnete mit einer hohen Zahl gewaltbereiter Demonstranten. Behördenpräsident Hans-Werner Wargel sagte: "Wir gehen davon aus, dass einige hundert gewaltbereite Autonome die Castor-Proteste für ihre Zwecke missbrauchen wollen." Die Prognose liege etwa doppelt so hoch wie beim Transport 2008. "Hinzu kommen weitere, zum Teil linksextremistische Gruppen, die offensichtlich eine hohe Bereitschaft zu Straftaten haben", sagte Wargel.

(apd)
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