Costa-Concordia-Unglück 32 Tote und ein menschliches Wrack

Giglio · Vor fünf Jahren ist das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia mit Kapitän Francesco Schettino vor der italienischen Insel Giglio havariert. Der 56-Jährige hält sich in seinem Heimatdorf auf. Das Urteil gegen ihn ist noch nicht rechtskräftig.

Costa Concordia: Verstörende Fotos aus dem Wrack
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Fotos aus dem Wrack der Costa Concordia

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Foto: dpa, dc ase

Don Lorenzo Pasquotti war einer der ersten, der den Schiffbrüchigen in der Unglücksnacht zu Hilfe eilte. Der Dorfpfarrer im Hafen der toskanischen Insel Giglio sperrte die Türen seiner Kirche auf. Die ersten durchnässten Passagiere kauerten da schon auf den Stufen. Don Lorenzo schaffte Decken und Jacken aus seiner Wohnung herbei. "Später haben sich die Schiffbrüchigen auch mit den Messgewändern und den Hemden der Ministranten zugedeckt", erzählt der Pfarrer.

Heute wird auf Giglio der fünfte Jahrestag der Havarie der Costa Concordia begangen, ein Unglück, bei dem 32 Menschen ums Leben kamen. Das Kreuzfahrtschiff war in der Nacht des 13. Januar 2012 gegen 21.45 Uhr vor der Insel wegen eines waghalsigen Manövers auf Grund gelaufen und kam dann vor dem Hafenbecken mit schwerer Schlagseite zu liegen. 4229 Passagiere befanden sich auf dem Schiff, die meisten konnten sich mit Rettungsbooten oder schwimmend in den Hafen von Giglio retten.

Heute Mittag wird es eine Gedenkmesse in der Kirche von Giglio geben. An der Unglücksstelle soll ein Blumenkranz ins Wasser gelassen werden. Nach Einbruch der Dunkelheit ist ein Fackelzug im Hafen geplant, um 21.45 Uhr werden die Kirchenglocken läuten und die Hupen der im Hafen liegenden Schiffe ertönen. "Es wird ein bewegender Moment sein", sagt Don Lorenzo.

Costa Concordia: Bilder vom Abtransport des Unglücksschiffes
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Hier wird die "Costa Concordia" abgeschleppt

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Foto: afp, ADS/LE

Stahlriese wird abgewrackt

Vom Wrack der Costa Concordia ist auf Giglio schon länger nichts mehr zu sehen. Über 18 Monate lag das knapp 300 Meter lange Kreuzfahrtschiff vor der Insel. In einer aufwendigen Aktion richteten Spezialisten das Wrack auf, brachten es mithilfe von 30 Stahlcontainern wieder zum Schwimmen und schleppten es im Juli 2014 in den Hafen von Genua. Dort wird der Stahlriese seither abgewrackt. 80 Prozent des Materials soll für den Bau anderer Schiffe wiederverwendet werden. Bis Februar soll die letzte Schraube abmontiert sein und damit sollen die Überreste des Schiffs verschwunden sein.

Wie vom Erdboden verschluckt ist auch Francesco Schettino, der ehemalige Kapitän des Schiffes. Im Mai bestätigte ein italienisches Berufungsgericht seine Verurteilung zu 16 Jahren und einem Monat Haft wegen fahrlässiger Tötung, Schiffbruch und vorzeitigem Verlassen des Schiffs. Fünf Mitverantwortliche wurden 2013 zu geringen Haftstrafen verurteilt. Wie sein Anwalt Saverio Senese berichtet, hält sich der 56-Jährige in seinem Wohnort Meta di Sorrento südlich von Neapel auf. Der Ex-Kapitän hat Revision gegen das Urteil eingelegt. Erst wenn diese vom Obersten Gerichtshof in Rom abgelehnt werden sollte und das Urteil damit rechtskräftig wird, müsste Schettino ins Gefängnis. Am 20. April soll die Entscheidung darüber fallen.

Er habe ihn lange nicht gesehen, erzählt ein Mitarbeiter eines Tauchgeschäfts, das gegenüber der neuen Wohnung Schettinos in Meta liegt. Schettino ist kürzlich umgezogen. "Wir sprechen nicht sehr viel über ihn", sagt der Mann über die Stimmung im Ort. Anwohner haben den Ex-Kapitän zuletzt in der Nähe seiner Wohnung gesichtet, wo er mit seiner tibetanischen Dogge spazieren geht. Schettino trägt inzwischen Vollbart, er verbringe viel Zeit zu Hause am Computer und beim Musikhören, sagen Leute, die ihn kennen.

Als "Kapitän Feigling" bezeichnet

Den Fernseher schalte der laut Gericht Hauptverantwortliche für das Schiffsunglück nicht mehr ein. Zu groß ist ihm offenbar das Risiko, auf Berichte auch über seine eigene Geschichte zu stoßen, die in diesen Tagen gezeigt werden. Schettino wurde von Medien als "Kapitän Feigling" bezeichnet, weil er noch während der Evakuierung des Schiffs von Bord ging und dies zeitweise damit rechtfertigte, er sei in eines der Rettungsboote gefallen.

Die Staatsanwaltschaft bezeichnete ihn als "unvorsichtigen Idioten", für die Gerichte war seine Schuld für das waghalsige Manöver vor Giglio erwiesen. Schettino selbst hält sich für das Opfer einer Medienkampagne, "mein Kopf wurde aus ökonomischen Gründen geopfert", sagte er vor Gericht.

Die Costa Concordia fuhr offenbar deshalb so nah an die Küste, um einem ehemaligen Kapitän auf Giglio die Ehre zu erweisen. Wie Schettino behauptete, seien solche Manöver auch von der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere zu Werbezwecken gewünscht gewesen. Bei der Navigation rammte das Schiff einen Felsen und lief leck.

Der ehemalige Kapitän hegt nun noch die Hoffnung, der Oberste Gerichtshof werde das Urteil wegen Prozessfehler kassieren. Anwalt Senese behauptet, die Rechte seines Mandanten seien vom Berufungsgericht verletzt und wichtige Beweise nicht anerkannt worden. "Schettino hofft, dass der Gerichtshof diese Fehler korrigiert", sagt Senese. Wie es dem Ex-Kapitän gehe, könne er nicht genau sagen. Im Prozess gegen ihn hatte Schettino angemerkt, zusammen mit den 32 Opfern des Unglücks sei auch er "teilweise gestorben".

(RP)
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