Grosseto "Costa"-Kapitän weint vor Gericht

Grosseto · Francesco Schettino sieht sich vor der Urteilsverkündung als Sündenbock.

Schluchzend und unter Tränen bricht Francesco Schettino seine Schlussworte ab. Vor dem Urteil gegen ihn will der Kapitän der "Costa Concordia" von Begegnungen mit Überlebenden berichten, als seine Stimme versagt. Der 54-Jährige nutzt zuvor seine letzte Möglichkeit, um sich vor dem Gericht zu rechtfertigen - eine öffentliche Entschuldigung bekommen die Richter aber nicht zu hören. Stattdessen beklagt Schettino die Folgen des Unglücks für sich selbst: "Es ist schwierig, das ein Leben zu nennen, was ich lebe."

Seit eineinhalb Jahren muss sich Schettino, der sich selbst als Sündenbock sieht, vor Gericht verantworten. Seine schwarzen Haare sind vielleicht etwas schütterer geworden, doch sonst ist er zumindest äußerlich noch immer der Mann, der vor gut drei Jahren nach der Havarie der "Costa Concordia" mit 32 Toten als "Kapitän Feigling" Schlagzeilen machte. Stets braun gebrannt, mit Sonnenbrille und selbstbewussten Schritten bewegt sich der 54-Jährige durch das Gericht, wo die Richter über sein Schicksal entscheiden. Freispruch oder lange Haftstrafe, so lauten die Alternativen für den Unglückskapitän des Kreuzfahrtschiffes.

Aus seiner Sicht ist er ungerechtfertigt zum Sündenbock abgestempelt worden. "Drei Tage nach dem Unfall wurde mein Kopf präsentiert, um wirtschaftliche Interessen zu retten", klagt er.

Doch die Staatsanwaltschaft ist überzeugt von der Schuld des einzigen Angeklagten, fordert mehr als 26 Jahre Haft. Und auch Überlebende des Unglücks sind nicht gut auf den Kapiän zu sprechen. "Es war das erste Mal, dass ich ihn gesehen habe und das war emotional verrückt", erzählt die Französin Anne Decré nach ihrer ersten Begegnung. "Ich habe ihm in die Augen geschaut und gesagt: "Ich bin eines der französischen Opfer." Er sagte nur: "Es tut mir leid" und ging weg. Ich hätte mir gewünscht, dass er mit mir spricht oder fragt, wie es mir geht."

In der sonst eher verschlafenen Toskana-Stadt Grosseto steigt die Anspannung vor dem Urteil. Im Zentrum ist kein freies Hotelzimmer mehr zu bekommen.

(dpa)
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