Erschütterndes Video aus Lampedusa Das tote Liebespaar am Meeresboden

Lampedusa · Die Bilder des verheerenden Flüchtlingsdramas gingen im Oktober des vergangenen Jahres um die Welt. 366 Flüchtlinge aus Afrika ertranken wenige Kilometer vor der Insel Lampedusa. Ihr Kahn hatte Feuer gefangen. Für die Opfer kam jede Hilfe zu spät. Taucher machten am Wrack jetzt eine erschütternde Entdeckung. Ein junges Paar sank offenbar eng umschlungen auf den Meeresboden.

Vor der Küste der kleinen italienischen Insel spielen sich Jahr für Jahr menschliche Tragödien ab. Das kleine Eiland südlich von Sizilien liegt 130 Kilometer von der Küste Tunesiens entfernt. Tausende Menschen aus Afrika versuchen jedes Jahr auf kleinen Booten die Flucht aus der Armut nach Europa. Viele von ihnen zahlen Schlepperbanden horrende Summen für einen Platz auf einem schrottreifen Boot. Ein "Ticket" auf dem Unglückskahn kostete umgerechnet 1500 bis 3000 Dollar.

#Lampedusa, quell'abbraccio inimmaginabile in un mare di morte [VIDEO] http://t.co/STA5xGNbyI pic.twitter.com/1osBYgIZBg

Im Oktober 2013 ereignete sich hier die bislang größte Katastrophe. Ein Kahn mit 545 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea hatte sich aus der libyschen Hafenstadt Misrata auf den Weg nach Lampedusa gemacht. Nach einem Motorschaden vor Lampedusa gerät der schrottreife Kahn in Brand. Die dicht an dicht stehenden Menschen an Deck geraten in Panik. Der Kahn kentert.

Italiens Künstenwache rückt aus, auch einhemische Fischer eilen zur Hilfe. 155 Menschen können sie aus dem Wasser ziehen. Für 390 Flüchtlinge kommt jede Hilfe zu spät. Die Tragödie macht weltweit Schlagzeilen. Italiens Regierung muss sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. Von unterlassener Hilfeleistung ist die Rede. Rettungstaucher sprechen von einem "Friedhof auf dem Boden des Meeres". Papst Franziskus besucht Lampedusa. Der Heilige Vater geißelt "beschämende Massaker".

2013: Flüchtlingsdrama vor Lampedusa
7 Bilder

2013: Flüchtlingsdrama vor Lampedusa

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Die Aufnahmen, die einem Journalisten der angesehenen italienischen Zeitung "La Repubblica" gelangen, machen das Grauen noch einmal greifbar. Unter den vielen Todesopfern, die noch immer beim Wrack in der Tiefe liegen, fanden Taucher die Leiche eines jungen Mannes und einer jungen Frau. Die beiden halten sich in den Armen wie ein Liebespaar. "Das Video dokumentiert eine alltägliche Tragödie, die Europa vorgibt, nicht zu sehen", schreibt die Zeitung.

Die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union ist seit Jahren umstritten. Italien fühlt sich von seinen Partnern mit dem Problem alleingelassen. Nach EU-Recht können Flüchtlinge nur in dem Land Asyl beantragen, in dem sie erstmals europäischen Boden erreicht haben. Von dieser Regel proftieren Italiens nördliche Nachbarn. Das Gesetz verhindert, dass die Afrikaner bei ihnen Aysl beantragen können.

Zwei mögliche Lösungen für die andauerende Tragödie werden derzeit diskutiert: Eine nicht mehr nur italienische, sondern internationale Nothilfe-Aktion zu Wasser sowie die Möglichkeit, dass Flüchtlinge schon vor der lebensgefährlichen Überfahrt in Afrika Asylanträge stellen können.

Wenn jeder Mitgliedstaat der EU "nur ein paar Tausend Leute" aufnehmen würde, könnte das einen großen Unterschied für Hunderttausende machen, die Schutz brauchen. "Das würde den Druck der Flüchtlingsströme im Mittelmeer deutlich verringern", erklärte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in dieser Woche.

Den Verantwortlichen läuft die Zeit davon. Nach Einschätzung von italienischen Nachrichtendiensten warten an der Küste Afrikas in diesem Frühjahr 800.000 Menschen auf einen Platz in einem der Boote, die sie nach Lampedusa bringen sollen.

(csi)
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