New York Debatte um "Viagra für Frauen"

New York · Die USA haben die erste luststeigernde Pille für Frauen zugelassen. Das verschreibungspflichtige Medikament wirkt nicht direkt auf den Körper, sondern soll die Psyche stimulieren. Die Nebenwirkungen sind jedoch beträchtlich.

Rund jede dritte Frau verspürt im Laufe ihres Lebens laut deutschen Forschern eine Störung ihres Lustempfindens. In den USA soll nun eine kleine, rosafarbene Pille der weiblichen Unlust entgegen wirken. Anders als das "Viagra für Männer" soll das luststeigernde Medikament für Frauen keinen direkten körperlichen, sondern einen stimulierenden Effekt auf die Psyche haben. Flibanserin wirkt laut der zuständigen Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) auf Botenstoffe im Hirn ein, etwa Serotonin, die Laune und Appetit beeinflussen. Die Test-Frauen hatten im Schnitt 4,4-mal im Monat befriedigenden Geschlechtsverkehr. Bei der Vergleichsgruppe, die Placebos bekam, waren es 3,7-mal - vor der Behandlung waren es 2,7-mal im Monat.

Das Medikament soll nur bei Patientinnen zum Einsatz kommen, wenn mentale Gründe für Unlust wie Erschöpfung oder Stress und körperliche Ursachen ausgeschlossen sind. Es sei nicht für 30-Jährige gedacht, die der Meinung seien, sie müssten öfter Sex haben, erklärt der Pharmazie-Professor Manfred Schubert-Zsilavecz aus Frankfurt.

Der Zulassung der ersten luststeigernden Pille für die Frau war ein jahrelanger Streit vorausgegangen. Gegen das verschreibungspflichtige Medikament, das in den USA im Oktober unter den Namen Addyi auf den Markt kommen soll, sprechen vor allem die Nebenwirkungen. Flibanserin war ursprünglich als Antidepressivum gedacht, zufällig wurde eine leicht luststeigernde Wirkung entdeckt.

"Pink Viagra", wie das Mittel auch genannt wird, kann zu Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit, Schlafstörungen bis hin zur kurzzeitigen Bewusstlosigkeit bei den Konsumentinnen führen. Immerhin jede zehnte Testerin klagte über Übelkeit und Schwindel. Zudem gibt es Wechselwirkungen bei gleichzeitigem Alkoholgenuss und mit hormonellen Verhütungsmitteln. Noch gar nicht untersucht sind die Wechselwirkungen mit anderen psychoaktiven Stoffen.

Doch gegen das Präparat spricht noch mehr: Die Psychologin Verena Klein vom Institut für Sexualforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf fürchtet, dass damit die Sexualität der Frau in den Bereich der Krankheit rückt. Im Englischen gibt es dafür den Begriff "Hypoactive Sexual Desire Disorder" (HSDD). "Es wird so getan, als gäbe es ein Defizit der Frau, das durch ein Medikament behoben werden könne", sagt die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung. "Wenn Sexualität in der Partnerschaft nicht so gut läuft, dann lässt sich das nicht auf die Biologie der Partnerin oder des Partners reduzieren." So könnten Frauen zunehmend unter Erfolgsdruck geraten.

In den USA hat die Erlaubnis eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst. Das Mittel sei politisch durchgedrückt und helfe nur einem Bruchteil der Betroffenen, heißt es. Diese Meinung teilen auch mehrere deutsche Mediziner. "Nur zwischen acht und 13 Prozent der Frauen haben überhaupt eine ,Verbesserung' erfahren - als Verbesserung galt dabei bereits eine halbe ,sexuell befriedigende Erfahrung' mehr im Monat", erklärt Jakob Pastötter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung. Die eigentlichen Probleme seien oft nicht medikamentös zu lösen. "Viele Frauen werden sie mit großen Erwartungen nehmen und dann merken: Da passiert ja gar nichts."

Es werde dennoch nicht lange dauern, bis "Pink Viagra" auch auf dem europäischen Markt eingeführt wird, meint Pharmazie-Professor Schubert-Zsilavecz.

Was aber passiert, wenn man das Medikament - das jeden Abend genommen werden soll - längerfristig verabreicht und dann absetzt? "Wenn man Pech hat, gibt es Entzugserscheinungen: innere Unruhe, Schlaflosigkeit - und eventuell rutscht das sexuelle Verlangen ganz in den Keller", warnt Pastötter.

(leb/dpa)
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