Der Fitness-Guru vom Niederrhein

Die Pilates-Methode kennt fast jeder, den Mann, der sie entwickelt hat, kaum einer. Dabei stammt Joseph Pilates vom Niederrhein: In Mönchengladbach verlebte er seine Kindheit. Eine Biografie würdigt den Sportler.

Mönchengladbach Anspannung, Entspannung und bewusste Atmung - im Kern sind es diese drei Dinge, die die Pilates-Methode ausmachen. Spätestens seitdem Ende der 90er Jahre Stars wie Madonna oder Oprah Winfrey diese Form des Trainings für sich entdeckt haben, gibt es wohl kaum jemanden, der nichts mit dem Begriff Pilates anfangen kann. Gleichzeitig wissen aber nur die wenigsten etwas über den Entwickler Joseph Pilates.

So ging es auch Eva Rincke. Bei dem Versuch, mehr über ihn herauszufinden, stellte die Stuttgarter Autorin fest, dass es bislang noch keine Biografie gab. "Mich hat einfach dieser Mensch fasziniert, der zu 100 Prozent auf den Körper konzentriert war", sagt sie. Kurzerhand beschloss sie, selbst eine Biografie zu schreiben und begab sich auf Spurensuche an den Niederrhein. Geboren wurde Pilates 1883 in Mönchengladbach. Rincke fand heraus, dass sich der Stammbaum der Familie Pilates über mehrere Jahrhunderte im Gladbacher Raum zurückverfolgen lässt.

In seiner Kindheit war zwar noch nicht daran zu denken, dass die später von ihm entwickelten Übungen einmal in fast jedem Fitnessstudio angeboten werden würden, die Grundlagen allerdings wurden schon damals gelegt. "Er hat früh angefangen, Ideen für eigene Übungen zu entwickeln", sagt Rincke. Josephs Vater Friedrich, der als begeisterter Turner Mitglied im Gladbacher Turnverein "Eintracht" war, nahm seinen Sohn schon in jungen Jahren mit dorthin. Übungen bewusst auszuführen, habe Pilates schon als Junge gelernt, steht in seiner Biografie geschrieben: "Joseph hielt sich genau an die Vorgaben seines Vaters, auch wenn ihm manche Bewegungen seltsam erschienen: zu steif, zu unnatürlich." Da er es nicht wagte, zu widersprechen, überlegte er sich eigene Varianten. Zudem war er ein guter Beobachter, schaute sich die Bewegungen seiner Mitschüler und auch die von Tieren ganz genau an und ließ sie später in seine Übungen mit einfließen.

Richtig umsetzen konnte Pilates seine Ideen erstmals 1914, nachdem er nach England ausgewandert war und dort während des Ersten Weltkrieges als "feindlicher Ausländer" ins größte Internierungslager auf die Isle of Men kam. "Ausgerechnet dort hatte er das erste Mal Zeit, seine Vorstellungen umzusetzen", sagt Rincke. Nachdem er frei kam, verschlug es Pilates 1923 nach Hamburg, wo er die Hamburger Ordnungspolizei trainiert haben soll. Auch Gelsenkirchen war eine Station in seinem Leben, wo er laut Biografie Profi-Boxer war.

Pilates suchte immer nach einer Methode, die tief liegenden Muskeln zu trainieren und den Körper zu stabilisieren, um Krankheiten wie Rücken- oder Gelenkschmerzen zu heilen oder vorzubeugen. In seine Übungen flossen neben den eigenen Erfahrungen auch andere damalige Fitness-Trends wie Yoga mit ein. "Er hat sich vieler bekannter Methoden im Bereich des Körpertrainings bedient und sie vereint", sagt Rincke.

Im Jahr 1926 wanderte Pilates nach Amerika aus, in der Hoffnung, seine Methode bekannter machen zu können. Das gelang ihm - nicht zuletzt durch die Lage seines Studios, das sich in Broadway-Nähe an der 8th Avenue befand. Viele Tänzerinnen fanden den Weg zu ihm, um Verletzungen behandeln zu lassen. Die effizienten Pilates-Übungen brachten die Künstler schnell wieder auf die Bühne. Tessa Tamme vom Institut für Tanz und Bewegungskultur in Köln, sagt: "Pilates-Übungen sind besonders auf die Bewegungsqualität, nicht auf die Quantität fokussiert. Der gesundheitliche Aspekt ist viel höher als bei anderen Fitnessarten."

So erlangte das Studio schnell eine wichtige Position in New York. Sein großes Ziel, die Übungen berühmt zu machen, erreichte er zu Lebzeiten allerdings nicht mehr. Als Pilates am 9. Oktober 1967 in New York starb, hatte er aber bereits so viele Menschen mit seiner Begeisterung für die Methode angesteckt, dass sie sich auch nach seinem Ableben weiter verbreitete. "Das liegt sicher an der Effektivität dieser Übungen", sagt Rincke, die selbst Kraft daraus schöpft. So wie mittlerweile Millionen Menschen weltweit.

(RP)
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