BND-Akten aus der Adenauer-Zeit 2000 Wehrmacht- und SS-Offiziere planten Geheimarmee

Der Fund in den Alt-Beständen des Bundesnachrichtendienstes hat es in sich: 2000 führende Köpfe aus Wehrmacht und SS trieben demnach in den Jahren nach dem Krieg die Pläne für eine geheime deutsche Armee von 40.000 Mann voran. Kanzler Konrad Adenauer soll die Konspiration geduldet haben.

 Kanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß auf der Regierungsbank in Bonn.

Kanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß auf der Regierungsbank in Bonn.

Foto: dpa

Seit 2011 untersucht eine unabhängige Kommission aus Historikern die Frühgeschichte des deutschen Geheimdienstes BND. Bei den Recherchen soll der Wissenschaftler Agilolf Keßelring nun einen spektakulären Fund gemacht haben: Wie der Spiegel berichtet, stieß er auf eine Akte, die den Aufbau einer deutschen Schattenarmee dokumentiert, im Dunkeln organisiert, vorbei an Parlament und Regierung.

Ziel der Gruppe, die seit dem Jahr 1949 existiert haben soll: Deutschland wehrhaft machen für den Fall, dass die Sowjetunion einmarschiert. Die Sorge muss beachtlich gewesen sein. Die junge Demokratie im Westen war in ihrem Gründungsjahr alles andere als eine gesicherte Größe, der Kalte Krieg stand in seinen Anfängen, die westlichen Schutzmächte begannen sich zurückzuziehen.

Aus dem Ausland heraus "freikämpfen"

Das alles beobachtete auch der frühere Wehrmacht-Oberst Albert Schnez. Nach dem Krieg soll er sich eine bürgerliche Existenz im Raum Stuttgart aufgebaut und mit Holz und Haushaltswaren gehandelt haben. Abends aber traf er sich regelmäßig mit Kriegs-Veteranen seiner 25. Infanteriedivision, wie es heißt. Anfangs, um sich gegenseitig in der Nachkriegszeit zu unterstützten. Später aber soll es um mehr gegangen sein: den Aufbau einer geheimen Armee, um gewappnet zu sein für den Tag, an dem die Russen kommen.

Wie der Spiegel unter Berufung auf den Historiker schreibt, dachten die Militärs zunächst daran, im Falle der Besetzung Deutschlands durch die Sowjets eine Art Partisanenkampf aufzuziehen. Später änderten sich die Pläne: Jetzt wolle Schnez "die deutsche wehrfähige Mannschaft einem plötzlichen Zugriff aus dem Osten entziehen und sie jenseits der deutschen Grenzen in Sicherheit bringen."

Schnell soll Schnez einen Kreis der Auserwählten um sich geschart haben. Alle Männer kriegserfahren, nun aber in bürgerlichen Berufen. 2000 ehemalige Offiziere mit einer Vorgeschichte in der Wehrmacht oder Waffen-SS sollen eingeweiht gewesen sein. Zudem ist von einem Dokument die Rede, in dem Schnez 10.000 Namen von Männern gesammelt haben soll, deren Unterstützung er sich sicher war. Zielgröße für den Ernstfall: eine Armee von 40.000 Mann, die aus der Schweiz oder Francos Spanien heraus operieren sollte und von dort aus die Bundesrepublik "freikämpfen".

Verschwörer auf einflussreichen Posten

Politisch brisant war das Vorhaben von Anfang an. Die Bildung militärischer Organisationen war verboten, eine Wiederbewaffnung Deutschlands eine offene Frage. Entsprechend konspirativ ginge die Offiziere zu Werke. Die Dimension einer potenziellen Staatsaffäre nahm die Sache aber spätestens an, als zunehmend mehr der Verschwörer in den Dienst der Bundesrepublik traten. Schnez etwa machte in der Bundeswehr Karriere, wurde General und Heeresinspekteur.

Der Weltkriegsgeneral Anton Grasser bekam eine Anstellung im Innenministerium, wo er bald einen verantwortungsvollen wie einflussreichen Posten übernahm: Den des Generalinspekteurs der Bereitschaftspolizei und Inspekteur des Bundesgrenzschutzes. Die Polizeitruppe gilt als Organisation mit paramilitärischem Charakter, sie verfügte über Pistolen, Karabiner und Maschinenpistolen. Umso wertvoller war die Figur Grassers für die Pläne der Geheimarmee: Er sollte sie im Ernstfall mit Waffen ausstatten.

Adenauer ließ den Bund "betreuen"

Ab 1950 warb das Netzwerk von Schnez aktiv etwa Spenden bei Unternehmen ein und besprach mit Speditionen, welche Fahrzeuge diese zur Verfügung stellen konnten. Zudem soll es einen sogenannten Abwehrapparat betrieben haben, mit dem Personen bespitzelt wurde, das aus Sicht der Militärs im Verdacht stand, politisch zu weit links zu stehen. Auch der Einsatz gegen kommunistische Erhebungen im Inland spielte in den Szenarien eine wichtige Rolle.

Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) habe spätestens 1951 von der Schnez-Truppe erfahren und die Organisation Gehlen - den Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND) - mit der "Betreuung und Überwachung" der Schattenarmee beauftragt. Möglicherweise wollte Adenauer sich damit im noch unbewaffneten Deutschland von 1951 eine Option für den Ernstfall offenhalten. Die Gründung der Bundeswehr stand noch in den Sternen. Daraufhin soll der deutsche Geheimdienst sogar mit den Spezialisten der Schnez-Truppe zusammengearbeitet und Informationen ausgetauscht haben.

Was später aus dem Geheimbund um Schnez geworden ist, bleibt bislang ungeklärt. Die Dokumente über seine Ziele und Aktivitäten landeten irgendwann still und heimlich in einem Archiv des BND. Akten-Titel: "Versicherungen". Schnez erhielt von der Bundesrepublik 1971 das Große Verdienstkreuz mit Stern.

(pst)
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