"Scham und Schande" für Jesuiten-Orden 205 Kinder missbraucht und misshandelt

München (RPO). Der Missbrauchsskandal an Jesuiten-Einrichtungen hat deutlich größere Ausmaße als bislang angenommen. Insgesamt gehe es um 205 Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexuellem Missbrauch und Misshandlungen wurden, heißt es im am Donnerstag in München vorgestellten Abschlussbericht der vom Jesuitenorden beauftragten Rechtsanwältin Ursula Raue.

Jesuiten-Provinzial Stefan Dartmann sagte, der Bericht gereiche dem Orden zu "Scham und Schande". Ende Januar war durch Aussagen mehrerer ehemaliger Schüler bekannt geworden, dass es am Canisius-Kolleg in Berlin - einem Gymnasium der Jesuiten - in den 70er und 80er Jahren einen systematischen sexuellen Missbrauch von Kindern gegeben hatte. In der Folge wurden zahlreiche weitere Fälle bekannt, weshalb der Orden Raue mit der Aufklärung beauftragte.

In ihrem Zwischenbericht vom Februar sprach Raue noch von 115 bis 120 Fällen. Raue sagte jetzt, zusätzlich zu den im Abschlussbericht aufgeführten 205 Opfermeldungen an Jesuiten-Einrichtungen seien ihr 50 weitere, meist an katholischen Einrichtungen geschehene Übergriffe auf Kinder und Jugendliche gemeldet worden.

Zwölf Patres unter Verdacht

Bei den Jesuiten kam dem Bericht zufolge es außer am Canisius Kolleg im Kolleg Sankt Blasien, dem Aloisiuskolleg im Bonner Stadtteil Bad Godesberg, der Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg sowie Jugendeinrichtungen in Hannover und Göttingen und einem heute nicht mehr von den Jesuiten geleiteten Kolleg im westfälischen Büren zu Übergriffen.

Hauptverdächtige sind zwölf Patres, von denen sechs verstorben sind, sowie zwei Weltliche. Den Beschuldigten werde von mehr als einem Opfer oder Zeugen Missbrauch oder grobe Gewalttätigkeit oder beides vorgeworfen, auch Mitwisserschaft werde dieser Gruppe angelastet. Hinzu kämen 32 weitere Patres, weltliche Lehrer oder Erzieher, die nur von einem Opfer oder Zeugen genannt werden.

Raue sagte, bei den Vorwürfen handle es sich häufig um eine Mischung aus sexuellem Missbrauch und körperlicher Gewalt. So hätten Schüler davon berichtet, dass Patres offensichtlich sexuell erregt gewesen seien, während sie geprügelt hätten. Oft habe es aber eindeutigen sexuellen Missbrauch und ausschließlich körperliche Misshandlungen wie schwere Prügel gegeben.

Auswirkungen auf Lebensweg

Raue sagte, bei vielen Opfern hätten die Übergriffe schlimme Auswirkungen auf ihren weiteren Lebensweg gehabt. "Diese Leute, die sich da gemeldet haben, sprechen fast durchgängig von gebrochenen Lebenswegen, von Angst und Depressionen, Problemen im sexuellen Bereich und zerstörten Ehen und Eheproblemen." Die Anwältin machte auch dem Jesuiten-Orden schwere Vorwürfe. Dort seien viele Vorwürfe bekannt gewesen, ohne dass angemessen reagiert worden sei. Statt sie anzuzeigen, seien Verdächtige versetzt worden.

Pater Dartmann sprach von "Schuld und Versagen" der Jesuiten. Er entschuldigte sich bei allen Opfern. Zugleich bot er an, bei jedem Opfer auch persönlich um Entschuldigung zu bitten sowie Gespräche zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu vermitteln.

Dartmann äußerte sich allerdings zurückhaltend zu möglichen finanziellen Entschädigungen, die von mehreren Opfern gefordert werden. Der Orden wolle den Beratungen des Runden Tisches der Bundesregierung nicht vorgreifen. Erste Aufgabe der Jesuiten sei es, die Opfer darin zu unterstützen, die für sie nötige Hilfe zu bekommen.

(AFP/nbe)
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