Gewalt unter Häftlingen 41 Übergriffe in NRW-Gefängnissen

Düsseldorf (RP). Angriffe auf Mitgefangene, Misshandlungen, Vergewaltigungen: Gewalt unter Häftlingen bleibt ein Problem in den Gefängnissen von Nordrhein-Westfalen. 2008 wurden 41 Verdachtsfälle registriert. Jeder dritte Tatvorwurf dreht sich um sexuelle Gewalt. Das geht aus einem internen Bericht des Justizministeriums an die Vollzugskommission des Landtags hervor, der unserer Zeitung vorliegt.

Insgesamt ging die Zahl der Verdachtsfälle seit 2007 um 23 Prozent zurück. Die Zahl der sexuellen Übergriffe sank jedoch nur um sechs Prozent. Fast alle Strafverfahren gegen die mutmaßlichen Täter laufen noch.

Auf der Liste der Verdachtsfälle wird die JVA Siegburg am häufigsten genannt. Dort soll es fünf Übergriffe gegeben haben. Das Gefängnis geriet 2006 in den Fokus der Öffentlichkeit, nachdem dort drei Gefangene im Jugendstrafvollzug ihren Mithäftling Hermann H. an einem Wochenende massiv gefoltert, vergewaltigt und in den Selbstmord getrieben hatten.

Mit jeweils vier Fällen liegen die Haftanstalten Aachen, Düsseldorf und Herford auf Platz zwei der Gewaltskala. Aus den Vollzugsanstalten Wuppertal und Gelsenkirchen wurden je drei Gewaltübergriffe gemeldet. In Gelsenkirchen soll es im März vergangenen Jahres zu einer Tat gekommen sein, die an den Foltermord von Siegburg erinnert. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Essen forderten Mithäftlinge einen 23-Jährigen dazu auf, sich mit einem Stromkabel zu erhängen, nachdem sie ihn sexuell missbraucht hatten.

Der Bericht über die Verdachtsfälle wird von den Mitgliedern der Vollzugskommission auch als "Liste des Grauens" bezeichnet. In Herford soll ein Häftling im März 2008 einen Brandanschlag auf einen Mitgefangenen verübt haben. Das Opfer erlitt dabei Verbrennungen zweiten Grades am Rücken und am Hals. In Wuppertal blieb ein Gefangener nach einer Schlägerei mit einem Schädel-Hirn-Trauma zurück. In Kleve wurden einem Häftling Stichwunden zugefügt. In Bielefeld wurde einem Gefangenen bei einem Streit der Kiefer gebrochen.

Ein Sprecher von NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) wertete den Rückgang der gemeldeten Verdachtsfälle als Erfolg. Im Jahr 2006 habe es immerhin noch 74 Übergriffe gegeben. "Das zeigt, dass unsere Maßnahmen greifen", sagte er.

Die Bediensteten achteten mittlerweile sensibler auf Gewaltpotenziale. "Auch die Verträglichkeitsprüfungen sind genau und präzise." Das Ministerium habe das "Menschenmögliche" getan, um die Gewalt in dem Haftanstalten so gering wie möglich zu halten. "Gänzlich wird sich so etwas aber wohl nie ausschalten lassen", so der Sprecher.

In den Haftanstalten von Nordrhein-Westfalen sitzen derzeit rund 18 000 Gefangene ein.

(RP)
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