Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte 500.000 Kinder in Deutschland leiden Hunger

Berlin (dapd). In Deutschland hungern Hunderttausende Kinder, gleichzeitig landen Schätzungen zu Folge jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll.

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"Man kann davon ausgehen, dass etwa 500.000 Kinder in Deutschland regelmäßig nicht ausreichend ernährt werden und immer wieder Hunger leiden", sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann, der Nachrichtenagentur dapd anlässlich des Welternährungstages, der am Sonntag (16. Oktober) begangen wird. Der Mediziner sprach von einem schlimmen Zustand.

Was auf der einen Seite weggeworfen wird, wäre anderswo dringend notwendig. Weltweit haben mehr als eine Milliarde Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser. Jeden Tag sterben Tausende Menschen an Unterernährung und ihren Folgen, mehr als die Hälfte davon sind Kinder unter fünf Jahren.

Umdenken gefordert

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kritisierte, "der Berg weggeworfener Lebensmittel in Europa wird immer größer - und damit auch die Belastung für Umwelt und Klima und natürlich auch den privaten Geldbeutel." Nun müsse ein Umdenken einsetzen.

In einer Forsa-Umfrage im Auftrag ihres Ministeriums gaben 58 Prozent an, dass in ihrem Haushalt regelmäßig Lebensmittel weggeworfen werden. 69 Prozent der Bürger haben beim Wegwerfen ein schlechtes Gewissen.

Rund 84 Prozent der Bundesbürger werfen Lebensmittel weg, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen oder die Ware verdorben ist. 19 Prozent nennen zu große Packungen als Hauptgrund. 16 Prozent der Bürger werfen Lebensmittel weg, weil sie ihnen nicht schmecken. Und rund ein Viertel gibt an, zu viel gekauft zu haben.

Ein Drittel aller Nahrungsmittel landet auf dem Müll

Weltweit geht laut UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO ungefähr ein Drittel der Nahrungsmittelproduktion als Abfall verloren. Das internationale Kinderhilfswerk World Vision macht dafür auch falsche Lagertechniken und ineffiziente Anbaumethoden verantwortlich. Die Organisation fordert deshalb massive Investitionen in die Landwirtschaft von Entwicklungsländern, um etwa Bauern besser auszubilden.

Eine andere Hilfsorganisation lenkte den Fokus auf die Biosprit-Herstellung. "Die Menschenrechte auf Wasser und auf Nahrung müssen Vorrang haben vor unseren Mobilitätsansprüchen", sagte Bernhard Walter, Landwirtschaftsexperte bei "Brot für die Welt", am Freitag in Berlin. Er forderte, Sozialstandards in die EU-Richtlinien für die Produktion von Agrarrohstoffen für Biosprit in Dritte-Welt-Ländern aufzunehmen.

Kostenloses Mittagessen gefordet

Aigner wäre fürs Erste schon zufrieden, wenn mehr Verbraucher das Mindesthaltbarkeitsdatum richtig verstehen würden. Es sei lediglich eine Orientierungshilfe. Trotzdem werden viele Lebensmittel, die eigentlich noch essbar wären, nach Überschreiten dieses Datums ohne zu prüfen in den Müll geworfen.

Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte forderte zudem kostenlose Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen. "Es ist ein Skandal, dass sich so viele Kinder und Jugendliche in der Ganztagsschule vom Mittagessen abmelden müssen, weil es zu teuer ist", erklärte Verbandspräsident Wolfram Hartmann am Freitag in Düsseldorf. Mangelernährung sei in Deutschland ein Problem.

Viele der zwei Millionen in Armut lebenden Kinder und Jugendliche entwickelten chronische Krankheiten wie Übergewicht und Stoffwechselstörungen, deren spätere Folgen die Allgemeinheit belasten, sagte Hartmann vor dem Welternährungstag an diesem Sonntag. Der Staat müsse sich mehr darum kümmern, dass Kinder grundversorgt sind und die Eltern wieder lernen, gesundes Essen selbst zuzubereiten. Vollwertiges Essen dürfe kein Luxus sein.

(apd/csr)
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