Prozessbeginn in Karlsruhe A5-Todesdrängler: Angeklagter bestreitet Vorwürfe

Karlsruhe (rpo). Weil er durch Drängeln auf der Autobahn den Tot von zwei Menschen zu verantworten haben soll, steht ein 34-jähriger Ingenieur von DaimlerChrysler seit Montag in dem so genannten Autobahnraser-Prozess vor Gericht.

<P>Karlsruhe (rpo). Weil er durch Drängeln auf der Autobahn den Tot von zwei Menschen zu verantworten haben soll, steht ein 34-jähriger Ingenieur von DaimlerChrysler seit Montag in dem so genannten Autobahnraser-Prozess vor Gericht.

Bei seinen Arbeitskollegen hatte er den Spitznamen "Turbo-Rolf". Doch der schmächtige Angeklagte im spektakulären Karlsruher Autobahnraser-Prozess trat ganz anders auf: Ruhig, zurückhaltend und mit leiser Stimme bestritt der 34-jährige Testfahrer und Ingenieur von DaimlerChrysler die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Zum Prozessauftakt vor dem Amtsgericht Karlsruhe sagte er am Montag: "Ich habe weder jemanden bedrängt noch was von dem Unfall bemerkt."

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 14. Juli 2003 auf der Autobahn A 5 bei Karlsruhe durch extrem schnelles und dichtes Auffahren einen Unfall verursacht zu haben, bei dem eine 21-jährige Frau und ihre zweijährige Tochter starben. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung, Unfallflucht und fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs.

21-Jährige und Kind sofort tot

Der Versuchsingenieur soll mit seinem 500 PS starken Mercedes CL 600 Coupé Bi-turbo mit einer Geschwindigkeit von 220 bis 250 Stundenkilometern "weniger als einen Meter" auf den Kia der Frau aufgefahren sein. Dann habe er an dem 150 Stundenkilometer schnellen Kleinwagen "auf dem äußersten linken Rand der linken Fahrspur vorbeifahren" wollen. Dadurch habe die offenbar erschrockene Frau das Steuer "unvermittelt nach rechts gerissen, kurz nach links gegengesteuert" und sei dann ins Schleudern geraten, betonte Staatsanwalt Mathias Marx. Der Kia prallte gegen mehrere Bäume, die 21-Jährige und ihr Kind waren sofort tot. Der Raser soll nach dem Vorfall mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren sein.

Dem 34-Jährigen aus dem schwäbischen Münsingen droht eine Haftstrafe bis zu vier Jahren. Auf dieses Strafmaß sind Urteile vor einem Amtsgericht begrenzt. Doch am Ende des ersten Verhandlungstages schien es eher unwahrscheinlich, dass er tatsächlich verurteilt wird.

Berechnungen entlasten

Tatsächlich kann aufgrund der Aussagen der vier Zeugen des Geschehens auf der A 5 lediglich ein rasender Mercedesfahrer, nicht aber der konkrete Angeklagte direkt dem Unfallgeschehen zugeordnet werden. Auch die Berechnungen der Sachverständigen, deren Gutachten zudem keine Beweise für eine Berührung der beiden Fahrzeuge erbrachten, entlasteten den Daimler-Mann.

Der 34-Jährige selbst betonte, er sei frühestens zehn Minuten nach dem Unfall — der sich laut Polizei gegen 6.00 Uhr ereignete - an der fraglichen Stelle unterwegs gewesen. Auf der Fahrt zu einem Prüfgelände für Auto-Prototypen im niedersächsischen Papenburg sei ihm an der Unfallstelle lediglich ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht und ein "massiver Stau auf der Gegenfahrbahn" aufgefallen.

Erhebliche Zweifel, unstimmige Aussagen

Ein Zeuge sagte aus, er sei von einem Mercedes, der weit über 200 Kilometer pro Stunde gefahren sei, überholt worden. Danach habe es so ausgesehen, als ob der Mercedes "den Kleinwagen berühren und von der Autobahn schubsen würde". Der Zeuge gab allerdings an, dass er zwischen 5.50 Uhr und 5.55 Uhr an der fraglichen Stelle gewesen sei — also fünf bis zehn Minuten vor der offiziellen Unfallzeit.

Der Karlsruher Sachverständige Reinhard Köhler äußerte "erhebliche Zweifel" daran, ob der Mercedes mit der von der Staatsanwaltschaft angegeben hohen Geschwindigkeit auf den Kia zugefahren sei, "ohne zu wissen, dass der Kia ihm Platz macht". Außerdem hätte der Angeklagte auf der 83 Kilometer langen Strecke vom Sindelfinger Daimler-Werk bis zum Unfallort "durchschnittlich 166 Stundenkilometer schnell" fahren müssen, um dort — wie von der Anklage angenommen — innerhalb einer halben Stunde gewesen zu sein.

Kürzerer Abstand nicht nachweisbar

Dies sei aber eigentlich nicht zu schaffen, sagte Köhler. Dem Sachverständigen zufolge war das erste abrupte Steuern der Frau nach rechts auf die mittlere Spur zudem "kein Schleudervorgang", sondern könne noch ein "annähernd normaler" Fahrstreifenwechsel gewesen sein.

Zwei weitere Zeugen sprachen zwar davon, dass zwischen dem Mercedes und dem Kia "gar kein Abstand" mehr gewesen sei. Der zweite Sachverständige, Joachim Rössle, wies aber darauf hin, dass der Abstand aufgrund der perspektivischen Verzerrung tatsächlich bis zu 20 Meter betragen haben könne und ein kürzerer Abstand "nicht nachweisbar" sei.

Das Verfahren ist auf weitere vier Sitzungstage angesetzt. Als Nebenkläger waren die Eltern und der Lebensgefährte des 21-jährigen Opfers anwesend. Am Mittwoch sollen Arbeitskollegen des Angeklagten als Zeugen gehört werden.

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