Offener Brief von Pirinçcis Webmaster "Ich schäme mich für dich, Freund Akif"

Düsseldorf · Erst stoppt der Verlag den Verkauf seiner Bücher, nun sagt sich auch ein Vertrauter von "Pegida"-Redner Akif Pirinçci los: In einem offenen Brief erklärt sein Webmaster, warum er tief von dem Mann enttäuscht ist, der ihn früher faszinierte.

Der Staatsanwalt ermittelt gegen Akif Pirinçci.

Der Staatsanwalt ermittelt gegen Akif Pirinçci.

Foto: dpa, dna htf

Am Tag nach Pirinçcis KZ-Äußerungen griff das Entsetzen um sich. Die Dresdner Justiz leitete gegen den ehemaligen Erfolgsautor Ermittlungen wegen Volksverhetzung ein. Auf der "Pegida"-Kundgebung hatte er in seiner Rede Muslime attackiert und Politiker als "Gauleiter gegen das eigene Volk" bezeichnet. "Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb." Selbst "Pegida"-Chef Lutz Bachmann entschuldigte sich später für den Auftritt.

Pirinçci hat mit seinen Ausfällen auch das eigene Umfeld vergrault. Die Verlagsgruppe Random House nahm seine Bücher aus dem Programm. Pirinçci war 1989 mit dem Katzenkrimi "Felidae" berühmt geworden. Er wechselte jedoch das Genre und verfasste Texte über politische und gesellschaftliche Themen, meist durchsetzt von reaktionären Ansichten, rassistisch, islamfeindlich, homophob. "Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer", lautet ein Titel.

Am Dienstagabend hat sich nun auch sein Webmaster von ihm distanziert. Torsten nennt er sich, seinen Nachnamen wollte er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk nicht nennen. Für Pirinçci hat er das Blog "Der kleine Akif" betreut, in dem der Autor seine Gedanken ausbreiten konnte. Nun sind dort am Mittwochmorgen alle Links zu Pirinçcis Texten tot gelegt. Stattdessen ist nur noch ein offener Brief zu finden, in dem Torsten abrechnet.

Als Optik hat er das berühmte Schwarz-Weiß-Bild des eingenässten Nazis im Deutschland-Trikot darübergelegt, entstanden 1992 bei den ausländerfeindlichen Pogromen in Rostock-Lichtenhagen.

Betitelt ist der Text mit der Überschrift "Von der Scham — ein offener Brief an Akif Pirinçci". Die Scham ist auch sein Thema. Tiefe Enttäuschung ist aus seinen Worten herauszuhören. War doch Pirinçci anfangs jemand, dem er etwas zutraute. Den Mut zur Wahrheit, eine erfrischende Unbefangenheit im Umgang mit deutschen Befindlichkeiten und Tabus. "Wo andere dich anmaßend und verleumderisch, ja, manche sogar hetzerisch und islamphobisch hielten, hielt ich dich für amüsant und manchmal sogar klug", schreibt Torsten.

Nun aber ist aus Faszination offenkundig Abscheu geworden. Nach der Rede von Dresden schämt er sich. "Ich schäme mich nicht nur fremd, für dich, Freund Akif. Ich schäme mich für mich. Dafür, dir bei der Errichtung deiner Plattform zur Verbreitung deines Unsinns behilflich gewesen zu sein, in der Hoffnung, dein Intellekt würde es begreifen, als ich dir sagte, dass 95% deiner Leser von rechten und ultrarechten verweisenden Webseiten kämen, und das du deren Hass schürende Vorurteile und Ängste befeuerst, da sie deine Polemik nicht verstehen."

Sein Fazit: "Ich sehe, auch du verstehst nicht."

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(pst)
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