Streit um Kunst auf Bottroper Halde Aliens stören Tetraeder

Bottrop (RP). Ein 52-jähriger Bottroper hat mit großformatigen Steinbildern auf einer Halde den Regionalverband Ruhr in Konflikte gestürzt. Jetzt steht fest: Die von den Bottropern "Aliens" genannten Figuren müssen weg, weil sie das Haldenkunstwerk Tetraeder beeinträchtigen.

 Der Tetraeder wurde von Wolfgang Christ geschaffen. Er sieht sein Kunstwerk durch die Alienfiguren beeinträchtigt.

Der Tetraeder wurde von Wolfgang Christ geschaffen. Er sieht sein Kunstwerk durch die Alienfiguren beeinträchtigt.

Foto: ddp

Hoch oben von der Bottroper Halde Beckstraße geht der Blick weit ins Revier. Gleich nebenan liegt die überdachte Piste des Alpincenters. Weiter im Westen ragt der Oberhausener Gasometer ins Bild. Unten am Fuß des Gesteinshügels schiebt sich die A 42 durch die Industriekulisse. Von dort sehen Autofahrer auf dem Haldengipfel ein Gebilde, das Ortsfremden zuweilen wie ein zu groß geratenes Klettergerüst erscheint: das Tetraeder, ein 50 Meter hohes Kunstwerk, das als Aussichtsplattform dient.

Was von unten nicht zu erkennen ist: Am Fuß des Gerüsts sind riesige Gebilde aus Stein entstanden, die von den Bottropern "Aliens" genannt werden. Gestern entschied der Gelände-Eigentümer Regionalverband Ruhr (RVR): Die Invasoren aus dem All müssen weg. Noch in dieser Woche soll ein Radlader die Schottersteine auf der Halde planieren.

Eiertanz von beeindruckender Grazie

Die Entscheidung findet in Bottrop nicht nur Freunde. "Die ,Aliens' erfreuen sich in der Bevölkerung durchaus einer gewissen Sympathie", räumt RVR-Sprecher Jens Hapke ein. "Deshalb sind wir mit großem Fingerspitzengefühl vorgegangen." In der Tat hat der Zweckverband in den vergangenen Monaten in Sachen "Aliens" einen Eiertanz von beeindruckender Grazie vollführt.

Der RVR bestellte sogar ein Rechtsgutachten, das zu dem eindeutigen Schluss kam: Die Außerirdischen beeinträchtigen die Urheberrechte des Tetraeder-Schöpfers Wolfgang Christ (57). Der hatte nämlich das Gelände rings um seine pyramidenförmige Stahlkonstruktion 1995 als triste Wüste aus taubem Stein inszeniert, auf dass sein Tetraeder vor der Industriekulisse besser wirke.

Zu den Tausenden Besuchern, die seither Jahr für Jahr auf die Halde strömen, zählt auch der Bottroper Fred Fischer, seines Zeichens Wäschereimitarbeiter. Aus purer Langeweile begann er eines Tages, oben auf dem Haldengipfel, Steinchen in hell und dunkel zu sortieren und dann daraus großflächige Figuren zu formen. Sein künstlerisches Konzept fasste er für gewöhnlich in einem Satz zusammen: "Ich mach dat aus Entspannung."

6500 Stunden Entspannungsübungen

Jahrelang störte der Zeitvertreib niemanden, zumal die Umrisse der Figuren nur aus der Höhe der Teatraeder-Plattform zu erkennen waren. Doch es begab sich, dass — nach geschätzten 6500 Stunden Entspannungsübungen — ein Luftbildfotograf die Halde überflog und die Aliens fotografierte. Kurz darauf erschienen die Fotos auf der Titelseite einer örtlichen Zeitung.

Der RVR, der das Ganze am liebsten weiter ignoriert hätte, sah sich daraufhin zum Handeln gezwungen. Denn neben dem Bottroper Tetraeder betreut der Verband etliche weitere Haldenobjekte, deren künstlerischer Rang durchaus umstritten ist. So leuchtet am Niederrhein von der Halde Rheinpreußen in Moers sinnigerweise eine 30 Meter hohe Grubenlampe in die Nacht, und auf der benachbarten Halde Niederrhein in Neukirchen-Vluyn lässt ein dach- wie wandloses "Hallenhaus" Besucher ratlos.

Würde der RVR die Aliens dulden, so die Befürchtung, könnten sich Zeitgenossen auch der anderen Haldenobjekte in verschönernder Absicht annehmen. Zudem protestierte auch Tetraeder-Planer Wolfgang Christ: "Das ist ein Kunstwerk, da kann doch nicht jeder machen, was er will." Als er an seine Urheberrechte erinnerte, wurden die "Alien"-Freunde rabiat: "Mir wurde per Email gedroht", sagt Christ.

Alien-Gestalter Fred Fischer dagegen lenkte ein: Er bot dem RVR an, die Steine eigenhändig wieder zu entfernen. Doch der Verband lehnte ab. "Das hätte doch Monate gedauert", sagt RVR-Sprecher Jens Hapke. "Und was hätte das für ein Bild abgegeben, wenn der Mann da oben alleine gearbeitet hätte. Ein Radlader schafft das an einem Tag."

Nicht einmal die Kosten dafür muss Fischer übernehmen. Der RVR will ihm sogar ein Ersatzgelände besorgen, wo er beim Steinchenlegen entspannen kann.

(RP)
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