Unser Bahnreporter unterwegs Allein unter Fußball-Fans

Bochum · Hauptbahnhof Bochum: Rund 1000 Anhänger des Zweitligisten Hansa Rostock reisen mit der Bahn zum Zweitliga-Spiel an. Einige Chaoten darunter lösen trotz massiver Polizeipräsenz Krawalle aus – es gibt 42 Verletzte. In der Menge am Bahnsteig: Unser Bahnreporter.

Unser Bahnreporter unter Fußball-Fans
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Hauptbahnhof Bochum: Rund 1000 Anhänger des Zweitligisten Hansa Rostock reisen mit der Bahn zum Zweitliga-Spiel an. Einige Chaoten darunter lösen trotz massiver Polizeipräsenz Krawalle aus — es gibt 42 Verletzte. In der Menge am Bahnsteig: Unser Bahnreporter.

Ich fühle mich wie ein Verbrecher. Mehrere Hundertschaften der Polizei, schwer gerüstet und bewaffnet, eskortieren im Blaulicht-Schein rund 1000 Fans des Fußball-Zweitligisten Hansa Rostock zum Hauptbahnhof Bochum — und ich bin mitten drin.

Die Partie beim VfL Bochum, die vorab als "Hochsicherheitsspiel" eingestuft worden war, haben die Rostocker mit 1:2 verloren, sie sind nun Tabellenletzter. Das trägt nicht zur Entspannung der Fans bei. Manche sind gar nicht ins Stadion gekommen: "Wir haben etwa 70 Personen festgesetzt, die ein bundesweites Stadionverbot haben", erklärt Polizeisprecher Guido Meng.

Auf dem Weg zum Bahnhof bleiben die meisten ruhig, doch andere gehen auf die Provokationen einiger Bochum-Anhänger ein. Plötzlich fangen die Polizisten an zu rennen, weiter vorne wogt die Menge. "Toll, Alter", sagt eine Stimme hinter mir. "Da vorne prügeln die sich, und wir sind hier hinten."

Die Polizei dokumentiert alles mit Video- und Foto-Kameras, trennt die Kontrahenten, setzt Pfefferspray ein. "Ich wünschte, wir dürften auch Pfefferspray mit zum Fußball nehmen", sagt ein Hansa-Anhänger. Die Bilanz dieses Tages: 42 Verletzte, davon fünf Polizisten und zwölf Sicherheitskräfte, 19 Personen werden in Gewahrsam genommen.

Bereits im vergangenen Juni hatte Niedersachsens Ministerpräsident Uwe Schünemann (CDU) davor gewarnt, dass die Zahl der Krawalle während der An- und Abreise zu Fußballspielen steige. In NRW sind fünf Erst-, drei Zweitligisten und unzählige unterklasssige Klubs aktiv.

An Spieltagen ist es ein gewohntes Bild, dass vermehrt Polizisten an Gleisen kontrollieren. Die Bahn versucht, Treffen von verschiedenen Fangruppen per Fahrplan zu verhindern. Dass das nicht immer klappt, zeigt unter anderem ein Fall aus dem November 2011: Anhänger der Erstligisten 1. FC Nürnberg und Mainz 05 prügelten sich auf dem Kölner Hauptbahnhof — ein Nürnberger verlor einen Arm.

Die Rostocker, die per Sonderzug nach Bochum gereist sind, werden schwer bewacht. "Diesen Ruf haben die sich aber auch jahrelang verdient", sagt ein Bochumer. "Freiburger Fans würden hier sicher anders empfangen." Ein schwarzer Pullover erhärtet diese Meinung: Auf ihm sind Polizisten stilisiert, die auf einen Fan zustürmen, der eine Fackel hält. Darauf steht: "Im Osten ist es Tradition, vor Silvester knallt es schon." Wie Beruhigend. Ebenso wie der Schlachtgesang zuvor im Stadion: "Wir werden alles zerlegen, bis wir Deutscher Meister sind."

Am Bahnhof werden die Rostocker durch einen Nebeneingang zu Gleis 6 geführt. Je enger es in den Bahnhofsfluren wird, desto größer wird das Aggressionspotenzial: Fahrgäste, die mit ihren Taschen an den Rostockern hängenbleiben, ernten böse Blicke, werden bepöbelt. Auf dem Bahnsteig beruhigt sich die Situation — die rund 150 Polizisten, die weiter Spalier stehen, tragen dazu bei.

Eine Durchsage um 16.17 Uhr könnte neuen Zündstoff bieten: "Der Sonderzug nach Rostock, Abfahrt um 16.28 Uhr, verzögert sich um 30 Minuten." Anstatt nun aufzubegehren, genießen die Hansa-Fans jedoch die Wintersonne. Wenig später wird der Grund für die Verzögerung genannt: eine "verspätete Bereitstellung" des Zuges. Das klingt seltsam, denn der Zug, der die Rostocker nach Bochum brachte, wurde in der Nähe "geparkt".

Die Verzögerung ist ärgerlich — nicht nur für die Hansa-Fans. Die Polizisten und den über uns kreisenden Hubschrauber finanziert der Steuerzahler. Wie viel der Einsatz der Beamten kostet, vermochte ein Sprecher der Bundespolizei nicht zu sagen, bezüglich des Hubschraubers konnte er aber eine Summe nennen: zwischen 3000 und 4000 Euro pro Stunde. Das sind "Mittel aus dem Bundeshaushalt, die dann verflogen werden".

Die Verspätung des Sonderzuges belastet also den Steuerzahler. Wie es dazu kommen kann, erklärt ein Bahnsprecher so: "Es kann sein, dass Regelzüge Verspätung hatten und dann vorher durchgeschleust werden mussten. Der normale Fahrplan geht nun einmal vor."

(RP/csr)
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