Gericht verhängt Bewährungsstrafe Asylbewerber kassierte unter sieben Identitäten Geld

Hannover · Nach den Ermittlungen einer Sonderkommission ist es womöglich nur ein Fall unter Hunderten in Niedersachsen: Das Amtsgericht Hannover hat einen Asylbewerber, der mit sieben falschen Identitäten zu Unrecht 21.700 Euro kassiert hat, zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Außerdem muss der 25-jährige Sudanese 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, urteilte das Gericht am Montag. Er habe mit dem Geld seine erkrankten Eltern in der Heimat unterstützen wollen und dazu bei den Behörden in mehreren Städten verschiedene Identitäten angegeben, ließ der Mann in seinem Geständnis über seinen Anwalt erklären. Das Gericht berücksichtigte die fünfmonatige Untersuchungshaft des Mannes seit Auffliegen des Schwindels.

Eine hohe kriminelle Energie hat der Staatsanwalt dem Angeklagten in seinem Plädoyer zur Last gelegt. Davon will der Verteidiger nichts wissen: Noch nicht einmal gefälschte Ausweise habe der junge Mann erstellen müssen. Schlicht unter falschem Namen bei einer Kommune anmelden, sich fotografieren lassen und dann einmal im Monat abkassieren, einfacher gehe es nicht. Das System habe bisweilen Lücken gehabt, umschreibt er den Umstand, dass Neuankömmlinge während des großen Flüchtlingszuzugs zunächst nicht gleich mit Fingerabdrücken registriert wurden.

Sudanese nutzte Lücke im System

Immerhin, das fällt dem Richter beim Sichten der in Hannover, Salzgitter, Burgdorf, Wolfsburg und den Kreisen Rotenburg und Cuxhaven erstellten Fotos auf, variierte die Frisur. War das Absicht, will er wissen. Der Angeklagte zuckt mit den Schultern.

Der Prozess war der erste in Niedersachsen nach Bekanntwerden von mehr als 300 Verdachtsfällen, in denen sich Männer aus dem Sudan Unterstützung mit Mehrfachidentitäten erschlichen haben sollen. Laut Innenministerium hat es im Land flächendeckend solche Fälle gegeben. Der Gesamtschaden wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Alleine am Amtsgericht Hannover sind drei weitere Prozesse terminiert, in einem Fall soll der Angeklagte knapp 60.000 Euro zu Unrecht kassiert haben.

Zu den Hintergründen der Betrugsmasche will der Angeklagte auf Empfehlung seines Anwalts nicht viel sagen. Nur so viel: In Hannover sei er mit einem Landsmann ins Gespräch gekommen, der habe ihm gesagt, wie man mit verschiedenen Identitäten zu Geld kommen könnte. Einen Namen will er nicht nennen. In bar habe er das Geld einem Landsmann zum Transfer in den Sudan ausgehändigt, eine Provision dafür sei nicht gezahlt worden.

Abschiebung eher schwierig

Wahr oder nicht - darüber kann und mag der Richter nicht urteilen, der dem jungen Mann sein ansonsten bislang straffreies Leben zugute hält. Auch Reichtum habe der Angeklagte dem Anschein nach nicht angesammelt. Barfuß in Lederschlappen sowie in T-Shirt und Jeans sitzt er in der Anklagebank.

Wegen einer Verurteilung zu einer Strafe von mehr als einem Jahr drohe dem Flüchtling, über dessen Asylantrag noch nicht entschieden ist, zwar prinzipiell die Abschiebung, erläuterte ein Gerichtssprecher. Zuständig dafür wäre die Ausländerbehörde. Da der 25-Jährige allerdings aus der sudanesischen Bürgerkriegsregion Dafur stammt, dürfte sich eine Abschiebung wohl schwierig gestalten. Daher ist im Falle einer Ablehnung des Asylantrags eine Duldung wahrscheinlich.

(felt/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort