Prozess Atomschmuggel: Deutscher verurteilt

Stuttgart (RPO). Der deutsche Ingenieur Gotthard Lerch ist für seine Rolle im Atom-Programm Libyens verurteilt worden. Doch der Abgeklagte muss wahrscheinlich nicht ins Gefängnis.

 Der Deutsche Gotthard L. wurde wegen Atomschmuggel verurteilt.

Der Deutsche Gotthard L. wurde wegen Atomschmuggel verurteilt.

Foto: AP, AP

Mit der Verurteilung von Gotthard Lerch wurde nach mehr als vier Jahren ein Schlussstrich unter das "Atomschmuggel"-Verfahren gezogen. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart verurteilte den 65-jährigen Gotthard L. am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Spezialist die Entwicklung von Atomwaffen für Libyen gefördert hat. Wahrscheinlich muss der Angeklagte aber nicht mehr ins Gefängnis. Die Hälfte der Strafe gilt als verbüßt.

Der Vorsitzende Richter Jürgen Niemeyer sprach von einem ungewöhnlichen Verfahren, nicht nur wegen der langen Dauer und rund 230 prall gefüllten Aktenordnern, sondern auch, weil viele Staaten und verschiedene Geheimdienste involviert waren und viele Rechtshilfesuchen unbeantwortet blieben. Die Wahrheitsfindung sei schwierig gewesen. "Die Justiz ist in diesem Fall an ihre Grenzen gestoßen", betonte Niemeyer.

Der Angeklagte war nach den Feststellungen des OLG in ein Netzwerk rund um den pakistanischen Nuklearwissenschaftler Abdul Qadeer Khan eingebunden. In dem Prozess hatte er letztlich eingeräumt, ein Unternehmen in Südafrika beim Bau von Gasultrazentrifugen unterstützt zu haben. Mit den Zentrifugen wollte der libysche Staat den Ermittlungen zufolge heimlich atomwaffenfähiges Uran anreichern.

Dem Richter zufolge hat Gotthard L., der über exklusives Wissen im Bereich Vakuumtechnik verfügen soll, über mehrere Jahre hinweg sowohl technische als auch praktische Hilfe bei der Zentrifugenherstellung geleistet und auch dafür gesorgt, dass Geld floss. Zwar ging der Senat anders als die Anklage nicht davon aus, dass er der "Strippenzieher" des Geschäfts war. Allerdings müsse ihm klar gewesen sein, dass es um Kernwaffen gehe, wenn er sich auf jemanden wie Khan einlasse. Der Wissenschaftler gilt als Vater der pakistanischen Atombombe.

Um das Verfahren zu einem Ende zu führen, hatte das Gericht dem Angeklagten im Zuge einer Verständigung zwischen allen Beteiligten zugesagt, die Strafe im Falle eines Geständnisses auf höchstens sechs Jahre zu begrenzen. Der Ingenieur hatte daraufhin den Vorwurf eingeräumt. Seinem Geständnis zufolge verdiente er an dem Auftrag insgesamt 3,5 Millionen Euro. Den Betrag überwies er inzwischen an die Staatskasse.

Die Bundesanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert. Die Verteidigung verlangte eine mildere Strafe und begründete dies auch mit der These, dass das Geschäft womöglich von internationalen Geheimdiensten initiiert worden sei. Das Gericht folgte dieser Behauptung nicht, äußerte sich aber dennoch kritisch zur Rolle von Nachrichtendiensten und der internationalen Atomenergiebehörde IAEA: Deren Involvierung habe es nahezu unmöglich gemacht, die Wahrheit zu recherchieren.

Libyen hatte sein Atomprogramm letztlich Ende 2003 aufgegeben, nachdem ein aus Malaysia kommendes deutsches Frachtschiff, das andere Teile für die Anlage geladen hatte, im Mittelmeer gestoppt worden war. Zur Urananreicherung und zum Bau von Kernwaffen kam es nicht. Der Angeklagte hatte sich wegen seiner Beteiligung bereits vor dem Landgericht Mannheim verantworten müssen. Die Hauptverhandlung war aber 2006 geplatzt. 2007 nahm das OLG das Verfahren im Zuge einer Gesetzesänderung an sich.

Das Urteil ist bereits rechtskräftig, da alle Beteiligten den Verzicht auf Rechtsmittel erklärten. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Ingenieur voraussichtlich nicht ins Gefängnis muss. 33 Monate der Strafe gelten als verbüßt, weil der Angeklagte 21 Monate in Untersuchungshaft saß und ihm zudem ein Jahr als Entschädigung wegen der langen Verfahrendauer zugesprochen wurde. Die andere Hälfte der Strafe könnte zur Bewährung ausgesetzt werden.

(afp2)
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