Auschwitz-Prozess Oskar Gröning: Habe mich moralisch mitschuldig gemacht

Lüneburg · In einem der letzten großen Auschwitz-Prozesse hat ein 93-jähriger früherer SS-Mann ein umfangreiches Geständnis abgelegt.

Der Angeklagte Oskar Gröning.

Der Angeklagte Oskar Gröning.

Foto: ap

"Für mich steht außer Frage, dass ich mich moralisch mitschuldig gemacht habe", sagte der Angeklagte Oskar Gröning am Dienstag vor dem Landgericht in Lüneburg. Er räumte ein, 1942 gleich bei seiner Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz von der Vergasung der Juden erfahren zu haben. "Ich bitte um Vergebung. Über die Frage der strafrechtlichen Schuld müssen Sie entscheiden."

Gröning muss sich wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verantworten. Unter den rund 60 Nebenklägern in dem Verfahren sind zahlreiche Holocaust-Überlebende und Angehörige.

Die Verlesung der Anklage dauerte rund eine Viertelstunde. Die Staatsanwaltschaft warf Gröning vor, Geld und Wertgegenstände aus dem von Häftlingen zurückgelassenen Gepäck an die SS weitergeleitet zu haben. Gröning räumte diese Tätigkeit ein. Er schildete auch grausame Vorgänge, die sich vor seinen Augen abspielten. Die Anklage hält ihm vor, er habe mit seiner Tätigkeit das systematische Töten der Nationalsozialisten unterstützt.

Sollte der 93-Jährige verurteilt und für haftfähig erklärt werden, erwartet ihn eine Strafe von mindestens drei Jahren. Das Interesse ausländischer Medien an dem Verfahren ist groß.

Veränderte Rechtslage

Prozesse wie der in Lüneburg gegen den früheren SS-Mann beruhen auf einer veränderten rechtlichen Bewertung des Straftatbestands der Beihilfe zum Mord. Die Justiz besteht seit 2011 nicht mehr darauf, eine direkte Beteiligung an den Mordtaten in Vernichtungslagern nachzuweisen.

Bei Bearbeitung des Falles von John Demjanjuk, der Aufseher im Vernichtungslager Sobibor war, hat die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg die Beihilfe zum Mord im Konzentrationslager Auschwitz neu definiert. "Für uns reicht die Tätigkeit eines Aufsehers in diesem Lager für die Annahme von Beihilfe zum Mord aus, ohne dass der betreffenden Person eine unmittelbare Beteiligung an einem konkreten Tötungsdelikt nachgewiesen werden muss", erklärt der Leiter der Zentralstelle, Kurt Schrimm. Die Staatsanwaltschaft und das Landgericht München II hätten diese Rechtsauffassung geteilt. Demjanjuk wurde 2011 zu fünf Jahren Haft verurteilt; er legte aber Rechtsmittel ein, über die wegen seines Todes nicht mehr entschieden wurde.

Auschwitz - ein Symbol für den Holocaust

Das nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gilt als bedeutendstes Symbol für den Holocaust. In dem bei Krakau gelegenen Lager im besetzten Polen wurden im Zweiten Weltkrieg mehr als eine Million Menschen ermordet. Die meisten Opfer waren Juden. Auch rund 70.000 Polen, 21.000 Sinti und Roma, 15.000 sowjetische Kriegsgefangene und Menschen aus vielen anderen Nationen wurden in Auschwitz getötet oder starben an Krankheiten und Hunger.

Der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, hatte 1940 befohlen, in Auschwitz im besetzen Polen ein Konzentrationslager zu bauen. Knapp zwei Monate später wurden die ersten Häftlinge dorthin gebracht. Ab September 1941 wurden Gefangene auch mit dem Giftgas Zyklon B getötet. Nach der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942, bei der die Nazis die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen, wurde Auschwitz-Birkenau zum zentralen Ort des Völkermordes. Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee rund 7000 überlebende Gefangene.

(dpa)
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