Totes Flüchtlingskind Aylan Polizei durchsucht Wohnung nach Hass-Posting

Berlin · Nach einem im Internet veröffentlichten Hass-Kommentar zum Foto des im Mittelmeer ertrunkenen dreijährigen Flüchtlingsjungen Aylan ermittelt die Berliner Polizei.

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Foto: Nilüfer Demir/Dogan News Agency/AFP

Wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten, wurde am Samstag die Wohnung des mutmaßlichen Verfassers des Eintrags in Berlin-Hellersdorf durchsucht. Der 26-Jährige stehe im Verdacht, im sozialen Netzwerk Facebook das Foto des kleinen Ailan mit dem Kommentar "Wir TRAUERN NICHT sondern wir FEIERN ES" kommentiert zu haben.

Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden ein Computer und zwei Handys beschlagnahmt. Gegen den 26-Jährigen wird wegen des Verdachts auf Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Volksverhetzung ermittelt.

Der dreijährige Aylan, sein ein Jahr älterer Bruder Galip und ihre 27-jährige Mutter Rihana waren im Mittelmeer ertrunken, als die syrische Familie aus der Türkei ins EU-Land Griechenland flüchten wollte. Fotos von Aylans Leiche, die am Mittwoch mit dem Gesicht im Sand an einem Strand bei Bodrum gefunden wurde, lösten weltweit Bestürzung aus. Bei dem Unglück waren insgesamt zwölf Menschen ums Leben gekommen.

Tante will Angehörige nach Kanada holen

Unterdessen will die Tante des Jungen die verbliebenen Mitglieder der Familie unbedingt zu sich nach Kanada holen. Dort lebt die aus Syrien stammende Tima Kurdi seit zwei Jahrzehnten, und dorthin wollte auch die Familie ihres Bruders Abdullah, deren Boot auf der Überfahrt von der Türkei auf die griechische Insel Kos unterging.

Der Vater hatte erklärt, er wolle nun nicht mehr auswandern, sondern in der Nähe der Gräber seiner Familie bleiben. Tima Kurdi sagte am Freitag an ihrem Haus in der kanadischen Stadt Coquitlam, sie hoffe trotzdem, dass sie ihn nach Kanada holen könne, ebenso wie ihre anderen Geschwister.

"Wir sind alle emotional sehr davon berührt, was geschehen ist", sagte Kurdi. "Ich bin sicher, er wird es ablehnen und er wird Kobane nicht verlassen wollen." Dennoch werde sie ihn eines Tages zu sich holen. "Er kann da nicht alleine bleiben", sagte sie. Am Samstag sollte in Vancouver ein Gedenkgottesdienst für die beiden ertrunkenen Kleinkinder stattfinden.

Kurdi hatte nach eigenen Worten zunächst für ihren ältesten Bruder Mohammed die Einreise nach Kanada beantragt. Dies wurde abgelehnt, weil die Papiere nicht vollständig waren. Daraufhin entschloss sich der jüngere Bruder Abdullah, mit seiner Familie illegal die gefährliche Überfahrt nach Europa zu wagen. Dafür habe sie ihm 5000 Dollar überwiesen, um die Schlepper zu bezahlen, sagte Kurdi.

Deshalb mache sie sich nun Vorwürfe. "Ich fühle mich schuldig, weil mein Bruder kein Geld hat. Ich habe ihm Geld geschickt, um den Schlepper zu bezahlen. Hätte ich ihm das Geld nicht geschickt, wären diese Menschen noch am Leben." Doch sei die Reise die einzige Option für die Familie gewesen, ein besseres Leben in einem europäischen Land anzufangen, vielleicht in Deutschland oder Schweden. Die Risiken der Überfahrt habe ihr Bruder gekannt.

Aus Syrien wollte die Familie vor der Schreckensherrschaft der Terrormiliz Islamischer Staat flüchten. Der IS habe eine Verwandte ihrer Schwägerin geköpft, berichtete Kurdi. Ihr Bruder habe ihr ein Foto davon geschickt, doch habe sie es gelöscht, weil es zu grauenhaft gewesen sei.

Nach dem Tod seiner Familie habe ihr Bruder Abdullah ihr am Telefon gesagt, er wolle nun den Rest seines Lebens neben ihren Gräbern in Kobane sitzen. "Er sagte: Ich brauche nichts mehr von dieser Welt. Alles was ich hatte, ist verloren. Aber meine Kinder, meine Frau, es ist ein Weckruf für die Welt. Und hoffentlich schreiten sie ein und helfen anderen."

(dpa)
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