Nordrhein-Westfalen Bauern streiten um Wetterkanone

Heinsberg (RP). Mit einem Gerät, das alle sieben Sekunden ohrenbetäubende Explosionen auslöst, will ein Bauer im Kreis Heinsberg seine Erdbeeren vor Hagelschäden schützen. Benachbarte Landwirte fürchten, dass es weniger regnet, Weizen und Mais vertrocknen, das Vieh erschreckt wird.

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Foto: Jennifer Zibner

Tief im Westen von Nordrhein-Westfalen, in den Dörfern der ländlichen Gemeinde Waldfeucht (Kreis Heinsberg), schien die Welt bis vor wenigen Tagen noch in Ordnung. Doch nun sind Teile der Bauernschaft dort in Angst und Sorge.

Die Landwirte fürchten die so genannte Hagelschutzkanone des Erdbeerbauern Leo Pelzer. Damit will der 44-jährige seine empfindlichen Früchte vor den vom Himmel fallenden Eisklumpen schützen. Versicherungen gegen Hagelschaden seien sehr teuer. Deshalb habe er sich nach Alternativen umgesehen, berichtet der Obstbauer. Im Belgien wurde er fündig. Brauen sich über seinen Feldern hagelträchtige Wolken zusammen, feuert er die Wetterkanone ab, die sechs Meter in die Höhe ragt. Alle sieben Sekunden explodiert ein Gemisch von Acetylen, Sauerstoff und Stickstoff. Laut belgischem Hersteller zertrümmern die so erzeugten Schallwellen — in unmittelbarer Nähe der Kanone würden 130 Dezibel erzeugt, was einem startenden Düsenflugzeug entspricht — die Hagelkörner in den Wolken.

Bauern in Pelzers Nachbarschaft fürchten aber weitere Folgen. Vor einer Woche kamen Landwirte zu Jörg van den Dolder, Ratsmitglied der Grünen in Waldfeucht. Sie berichteten, dass sich dichte Wolken, die nach dreiwöchiger Trockenheit lang ersehnten Regen versprachen, nach dem Einsatz der Hagelschutzkanone verzogen hätten. "Durch die Trockenheit reift unser Weizen zu früh ab, die Rüben vertrocknen, der Mais wird auch nichts", sagten die um ihre Ernte besorgten Bauern. Auch ihr Vieh sei durch den ohrenbetäubenden Lärm wie wild umhergerannt. Beinahe sei es zu einer Verkalbung gekommen.

Erdbeer-Bauer Pelzer kann über diese Ängste nur den Kopf schütteln. Die Kanone könne das Wettergeschehen nicht beeinflussen. Niederschläge würden durch sie nicht verhindert, allenfalls Hagelkörner zerstört — und das nur in einem Radius von etwa 500 Metern.

Meteorologen sind äußerst skeptisch, was die Wirkung des Gerätes betrifft. "Dass Hagelkörner durch Druckwellen zertrümmert werden können, wäre mir neu", sagt Meteorologe Peter Lang vom Deutschen Wetterdienst. Auch die Experten vom Landesumweltamt in Nordrhein-Westfalen sind sich in ihrem Urteil über die Hagelschutzkanonen einig: "Das bringt gar nichts."

Die Landwirte, die in der Nachbarschaft der drei von Leo Pelzer eingesetzten Hagelschutzkanonen Felder bewirtschaften, beruhigen aber auch die Aussagen der Wissenschaftler nicht. "Sie können sich nicht vorstellen, dass 'Erdbeer-Leo' 40 000 Euro pro Kanone investiert, wenn sie nichts bewirkt", sagt Jörg van den Dolder. Beunruhigend sei zudem, dass weder Ordnungs- noch Umweltamt des Kreises Informationen zu den Kanonen hätten geben können. Deshalb haben die Grünen dazu eine Anfrage an den Kreistag gestellt.

Laut Kreisverwaltung sind die Kanonen "genehmigungsfrei". Eine Lärmmessung Anfang Juli habe Werte im "zulässigen Bereich" ergeben. Der Obstbau-Berater der Landwirtschaftskammer Rheinland, Mohammad Esfandiari, kann kaum glauben, dass die Anlage keiner Genehmigung bedarf. Er hat die Kanone in Belgien in Aktion gesehen — und gehört. "Das ist enorm laut. Man spürt die Druckwellen. Der Knall ist mindestens fünf, sechs Kilometer weit zu hören", sagt er.

(RP)
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