Kampf gegen das Amtsdeutsch Beamte sparen an der Sprache

Kleve (RP). Viele Schreiben von Ämtern sind für "Normalbürger" oft unverständlich. Einige Städte und Kreise bemühen sich durch Schulungen und Benutzung von entsprechenden Datenbanken, Mitteilungen zu verschicken, die den Bürger nicht ratlos zurücklassen. Doch die meisten scheuen die Kosten.

Kurioses Beamtendeutsch
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Foto: AP

Beate Sturm ist die Leiterin des Archivs in der Kreisverwaltung in Kleve. Doch selbst die Verwaltungsangestellte muss, wenn sie ein amtliches Schreiben aus einer anderen Abteilung bekommt, oft passen. "Jeder kennt das. Manch amtliche Mitteilung versteht man — wenn überhaupt — erst beim zweiten Durchlesen", berichtet die Archivleiterin aus eigener Erfahrung.

Erst recht dürften Normalbürger Sätze wie der folgende ratlos machen: "In Anwendung des § 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) — in der zurzeit gültigen Fassung — ist die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erteilen, wenn bei dem Bewerber nicht Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist."

In der Klever Kreisverwaltung ist man sich bewusst, dass Amtsdeutsch für viele eine Fremdsprache ist. "Selbst eine mehrjährige Verwaltungsausbildung reicht nicht, um manche Formulierung zu verstehen", sagt Brigitte Jochems, Personal-Abteilungsleiterin beim Kreis Kleve. Deshalb habe eine Projektgruppe "bürgerfreundliche Verwaltungssprache" nach Wegen gesucht, wie amtliche Schreiben für den Bürger im Kreis Kleve verständlicher formuliert werden könnten.

Eine Schreibwerkstatt soll das Problem lösen. Darin drücken noch bis November Mitarbeiter der Verwaltung die Schulbank. Unterrichtet werden sie von Annette Lepschy. Die Sprachtrainerin zeigt Alternativen zum Amtsdeutsch auf: Aus "Rückbau" wird "Abriss", "Rechtshelfsbelehrung" wird zu "Ihre Rechte" und der "lichtzeichengesteuerte Verkehrsknotenpunkt" wird zur "Ampel".

Annette Lepschys Schüler sind mit dem Erfolg zufrieden. Rudolf Reinders (53), der in der Kreisverwaltung unter anderem für Wohnungsbauförderung und Jagdsteuer zuständig ist, war "im Vorfeld skeptisch". Nun gesteht der Verwaltungsangestellte: "Manche Dinge schleichen sich in 35 Jahren öffentlichem Dienst ein." Die Schreibwerkstatt habe ihm gezeigt, was man besser machen könne. Auch sein Kollege Georg Büsche ((41), Leiter des Sachgebietes Ordnungsaufgaben, ist überrascht, wie viele Verbesserungen bei amtlichen Schreiben möglich sind.

Dass durch die Schreibwerkstatt allein unverständliches Amtsdeutsch aus den Schreiben des Kreises Kleve verbannt wird, glaubt Verwaltungsmitarbeiter Georg Büscher nicht. "Die Werkstatt ist prima, um der Sache einen Schubs zu geben. Aber dann muss man weitermachen." Auch Annette Lepschy betont: "Das Gelernte kann schnell verpuffen. Das Thema muss immer wieder besprochen werden", mahnt die Sprachtrainerin. Wichtig sei, dass Amtsleitung und die einzelnen Mitarbeiter hinter dem Projekt stünden.

Nicht nur der Kreis Kleve bemüht sich, unverständliches Amtsdeutsch aus Formularen und Briefen zu verbannen. Im Kreis Mettmann gibt es seit Anfang 2010 eine Schreibwerkstatt. Die Stadt Wesel verbesserte ihr Amtsdeutsch 2007 bis 2009 in Zusammenarbeit mit der Idema/Novatec GmbH, einer Transfergesellschaft der Uni Bochum. Diese Gesellschaft war aus einer Forschungsgruppe "Verständliche Sprache" entstanden, die Professor Hans-R. Fluck 2001 ins Leben gerufen hatte.

Seit etwa drei Jahren bietet Idema/Novatec Verwaltungen den Zugang zu einer Datenbank, in der verständlich formulierte amtliche Schreiben gesammelt werden, die Organisation von Schreibwerkstätten und die Überarbeitung von Verwaltungstexten an. "Anfangs waren Beratungsbedarf und Nachfrage hoch", berichtet Michaela Blaha, Leiterin der Idema/Novatec. Viele Kommunen hätten jedoch gedacht, die Transfergesellschaft der Uni leiste "kostenlose Amtshilfe".

Der Service ist aber nicht gratis. Schreibwerkstätten kosten ab 1500 Euro pro Tag, die Nutzung der Datenbank ab 5500 Euro pro Jahr. "Vielen war und ist das zu teuer", vermutet Michaela Blaha. Jedenfalls nahmen beim Start des Projektes von 700 interessierten Verwaltungen nur zwölf das Angebot aus Bochum an. Inzwischen hat die Transfergesellschaft 22 Kunden — darunter das NRW-Innenministerium, die Bundesverwaltung und die Industrie- und Handelskammer Frankfurt/Main.

"Die Frage bei vielen Kommunen und Verwaltungen mit knapper Haushaltslage ist, wo man Prioritäten setzt", sagt Michaela Blaha. Dem Kreis Kleve ist das Bemühen um mehr Bürgerfreundlichkeit 30 000 Euro wert — soviel kostet den Kreis die Schreibwerkstatt.

(RP)
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