Vorwurf: Bestechung Polizei ermittelt gegen Schulfotografen

Düsseldorf · Es ist ein bundesweites Phänomen: Um die knappen Kassen ihrer Einrichtungen zu füllen, sollen Schul- und Kitaleiter "Spenden" von Fotounternehmen angenommen haben, damit diese das alleinige - und lukrative - Recht bekommen, die jährlichen Porträts machen zu dürfen. Es geht um mehr als 10.000 Fälle.

 Fotografien von schulischen Ereignissen wie zum Beispiel dem Abiball sind für Fotografen ein einträgliches Geschäft.

Fotografien von schulischen Ereignissen wie zum Beispiel dem Abiball sind für Fotografen ein einträgliches Geschäft.

Foto: easyshutter/shutterstock

Michael Belz, Geschäftsführer des Bundes professioneller Porträtfotografen, verfolgt die Entwicklung des Problems schon seit Langem. Große amerikanische Fotounternehmen seien es gewesen, die in den 80er und 90er Jahren mit sogenannten "Akquisiteuren" auf dem Markt unterwegs waren. Diese hätten Provisionen dafür bekommen, Schulen und Kindergärten für ihr jeweiliges Unternehmen zu gewinnen - und für ein Foto-Monopol auch Geld geboten. Die großen Unternehmen seien heute nicht mehr präsent, die Praxis, Geldspenden oder Sachleistungen anzubieten, werde jedoch von vielen Einrichtungen nach wie vor erwartet.

Dass Schul- oder Kita-Leiter Geld in ihre eigene Tasche wandern lassen, schließt Belz in Einzelfällen nicht aus: "Man darf aber nicht pauschalisieren und alle unter Generalverdacht stellen." Allerdings konnten Schulen noch bis vor Kurzem eine rechtliche Grauzone zugunsten ihrer Einrichtung nutzen: Wenn Foto-Firmen Geld oder Ausstattung an die Fördervereine oder das Haus selbst spendeten, handelten sie damit im rechtsfreien Raum.

Zwei Dinge änderten das: Ein Urteil des Bundesgerichtshofes von 2011, das diese Art von Geschäften zwischen Bildungseinrichtungen und Fotografen unter generellen Korruptionsverdacht stellte, und eine Anpassung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vor zwei Jahren. "Früher war es immer ein Problem, wenn es um den sogenannten ,Drittvorteil' ging", sagt Jürgen Möthrath, Präsident des Verbandes deutscher Strafrechtsanwälte. Seit 2013 ist es Schulleitern verboten, Fotografen einen Vorteil zu gewähren, wenn diese dem Förderverein ihrer Schule spenden. Ein Gericht könnte heute beide Parteien mit bis zu drei Jahren Haft bestrafen. Unternehmen, die kostenlose Leistungen erbringen, ohne dafür einen Vorteil zu erwarten, dürften das aber ohne Weiteres tun, wenn sie "sozialadäquat" handeln. Als Beispiel nannte Möthrath ein kostenloses Gruppenfoto pro Klasse - teure Sachspenden fallen in eine andere Kategorie.

Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, ist als Schulleiter regelmäßig von aggressiven Unternehmern bedrängt worden: "Meistens wurden mir Laptops und Computer für die Schule angeboten." Als Gegenleistung hätten die Firmen die Zusicherung gefordert, mehrere Hundert Schüler fotografieren und dafür jeweils etwa 15 Euro von den Eltern einstreichen zu dürfen - ein Geschäft, das sich für die Unternehmen mit Gewinnen um die 10.000 Euro rechnet. "Ich habe das radikal abgelehnt", betont Kraus. Er schätzt allerdings auch, dass auf dem Höhepunkt vor etwa fünf Jahren jede zehnte Schule von dieser Form der Korruption betroffen war. "Die sind auch massiv auf Kindergärten zugegangen", sagt Kraus.

Digitalisierung und Professionalisierung hätten dazu geführt, dass viele Einrichtungen ihre Bilder günstig selbst machen und die Fotounternehmer so wirtschaftlich unter Druck setzen. Seit dem neuen Gesetz seien aber sowohl Unternehmen als auch Schulen "vorsichtiger" geworden. "Trotzdem müssen das Kultusministerium und die Schulaufsicht besser über das Problem aufklären", sagt Kraus. Dass Schulen zu ihrer Finanzierung überhaupt auf Fördervereine und Drittmittel angewiesen sind, verurteilt er: "Damit nehmen sie die Aufgabe aus der öffentlichen Hand."

(bur)
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