Kirchliche Bedienstete Bischöfe lockern Arbeitsrecht

Düsseldorf · Die Kündigung kirchlicher Bediensteter wegen Verstoßes gegen katholische Lehren soll die Ausnahme bleiben - selbst nach Scheidung und Wiederheirat. Auch Homosexuelle sollen davon profitieren.

Die katholische Kirche in Deutschland plant eine umfassende Neuerung für die mehr als 700 000 hauptamtlichen Bediensteten. So sollen Kündigungen etwa bei schwerwiegenden Loyalitätsverstößen wie dem Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, Ehebruch oder Wiederverheiratung nicht mehr automatisch ausgesprochen werden. Ferner darf Mitarbeitern, die nach einer Scheidung wieder heiraten, nur in Ausnahmefällen gekündigt werden. Der Neuregelung vorangegangen waren jahrelange Beratungen der 27 deutschen Bischöfe. Mehr als zwei Drittel von ihnen unterstützen die neue Grundordnung.

Die Neuregelung tritt mit Veröffentlichung im Amtsblatt der Diözese in Kraft. Der weitgehende Verzicht auf automatisch eintretende Kündigung betrifft nicht jene Bediensteten, die pastoral oder mit besonderer bischöflicher Beauftragung tätig sind. Für alle anderen Bediensteten des kirchlichen Sektors verpflichtet sich der kirchliche Arbeitgeber künftig, Loyalitätsverstöße zunächst mit dem milderen arbeitsrechtlichen Mittel wie Ermahnung, Abmahnung oder Versetzung zu sanktionieren. Als schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der nach Prüfung des Einzelfalls arbeitsrechtlich geahndet werden darf, gelten "Propagierung von Abtreibung und Fremdenhass", Austritt aus der katholischen Kirche oder kirchenfeindliches Verhalten. Schwerwiegende Verstöße mit besonders gravierenden Umständen sind zudem gegeben, wenn etwa der wiederverheiratete Partner seine Verpflichtungen aus der ersten Ehe grob verletzt oder wenn sich die Partnerschaft insgesamt als "erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft" erweist.

"Es ist sehr zu begrüßen, dass die Bischöfe diesen Schritt wagen", sagte der Bochumer Arbeitsrechtler Jacob Joussen unserer Zeitung. "Die bisherigen Regelungen, also zum Beispiel die automatische Entlassung Homosexueller, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, waren aus verfassungs- und europarechtlicher Perspektive klar rechtswidrig." Dass die Bischöfe betonten, dass es auf eine Gesamtbeurteilung ankomme, sei ein wichtiger Schritt. Allerdings sei der Begriff ,erhebliches Ärgernis für die Dienstgemeinschaft' sehr vage. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken begrüßte die Änderungen.

Die Bischöfe hatten bereits im November das kollektive Arbeitsrecht angepasst und den Gewerkschaften eine Beteiligung bei der Lohnfindung angeboten. Bislang hatte die Kirche den sogenannten Dritten Weg beschritten: In zu gleichen Teilen mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzten Kommissionen wurden Löhne und Gehälter ausgehandelt. Streiks waren ausgeschlossen. Dagegen hatten die Gewerkschaften erfolgreich vor dem Bundesarbeitsgericht geklagt. Die Richter gaben den kirchlichen Arbeitgebern auf, die Gewerkschaften angemessen an diesem Dritten Weg zu beteiligen, andernfalls seien Streiks erlaubt. Nach dem Wunsch der Bischöfe sollen die Gewerkschaften künftig - je nach Organisationsgrad - zusätzlich zu den gewählten Mitarbeitervertretern bis zu drei Sitze in den Kommissionen erhalten.

Verdi-Chef Frank Bsirske sagte in Duisburg: "Der Dritte Weg der Kirchen ist für uns keine akzeptable Alternative." Die Dienstleistungs-Gewerkschaft hat zudem Verfassungsbeschwerde eingereicht, um das Streikrecht doch noch durchzusetzen. Notfalls will Verdi den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen.

(RP)
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