Tödliche Messerattacke auf 15-Jährige Versäumnisse vor Bluttat von Kandel?

Kandel · Nach der schockierenden Messerattacke eines angeblich 15-jährigen Afghanen gibt es noch viele offene Fragen. Sie betreffen unter anderem den Informationsfluss zwischen der Polizei und dem Jugendamt des Kreises Germersheim.

Die Tat hatte deutschlandweit Empörung und Entsetzen ausgelöst.

Die Tat hatte deutschlandweit Empörung und Entsetzen ausgelöst.

Foto: dpa, arn exa

Der Jugendliche war dem Kreis im Mai 2016 zugewiesen worden, dessen Jugendamt war für seine Betreuung zuständig: Als Vormund des Afghanen ist ein Mitarbeiter des Jugendamtes eingesetzt. Das Mädchen hatte Anfang Dezember eine Beziehung zu dem Flüchtling beendet. Die drängendsten Fragen zu dem Fall:

Gab es eine Risikoeinschätzung durch die Behörden?

Die Darstellung der Kreisverwaltung lässt offen, ob es zu einer gründlichen Abschätzung des Gefährdungsrisikos kam, wie es das Gesetz in solchen Fällen vorsieht. Die Alarmkette sei bei drohenden Gewaltdelikten eindeutig, sagte der Münchener Sozialpädagoge Andreas Dexheimer gegenüber "Focus Online". "In solch einem Fall ist es entscheidend und entspricht der üblichen Vorgehensweise, dass sowohl das Jugendamt als auch die Einrichtung sofort darüber informiert werden", erklärte Dexheimer, der eine Geschäftsstelle der Diakonie-Jugendhilfe leitet.

Eberhard Weber, Vizechef des Polizeipräsidiums Rheinpfalz (Ludwigshafen) wies darauf hin, der Vormund des Jugendlichen sei über zwei Strafanzeigen gegen den Afghanen am 18. Dezember informiert worden. Das ergebe sich aus der Aktenlage und aus einer ersten Rücksprache mit dem mit dem Fall befassten Polizeibeamten.

Welche Rolle spielt das Alter des Tatverdächtigen?

Unklar ist weiter, ob der Messerstecher von Kandel überhaupt ein Fall für das Jugendamt war. "Er ist nie und nimmer erst 15 Jahre alt", zitierte die "Bild"-Zeitung den Vater des Opfers. Die Zeitung hat zudem ein Foto des angeblichen Täters veröffentlicht, auf dem der Abgebildete wesentlich älter wirkt. Ob es sich bei dieser Person tatsächlich um den Inhaftierten handelt, ist jedoch unklar. Eine Bestätigung der Behörden fehlt.

Die Frage des Alters ist in dem Fall bedeutsam: Bei einem 15-Jährigen wäre zwingend das mildere Jugendstrafrecht anzuwenden. Zu der Einschätzung, dass der Inhaftierte erst 15 Jahre alt sein soll, kam das Jugendamt in Frankfurt, wie die Kreisverwaltung Germersheim informiert. Und zwar durch "Inaugenscheinnahme" und durch ein "ärztliches Erstscreening".

Außerdem habe sich ein Familienrichter den Afghanen angeschaut. Das Alter sei dort nicht infrage gestellt worden. Dass der Täter volljährig - also 18 Jahre alt - sei, "wird derzeit von allen Beteiligten ausgeschlossen", hieß es.

Welche Informationen fehlen den Behörden noch?

Aus dem Ausländerzentralregister ergibt sich nach Informationen der "Rheinpfalz" das Geburtsdatum 1. Januar 2002, Geburtsort Kabul. Das Datum 1. Januar wird in der Regel dann gewählt, wenn eine Person ohne Ausweispapiere nach Deutschland kommt und behauptet, nur das Jahr, nicht aber Tag und Monat seiner Geburt zu kennen. Ob das auch im Falle des Messerstechers so war, müsste sich aus der Ausländerakte ergeben, die aber offenbar den Ermittlern noch nicht vorliegt.

Für die Altersbestimmung von (angeblich) minderjährigen Flüchtlingen gibt es in Deutschland keine einheitliche Handhabung, lediglich Empfehlungen für die zuständigen Jugendämter. Die Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin empfiehlt eine Kombination aus einer körperlichen und einer zahnärztlichen Untersuchung mit einer Röntgenaufnahme des Gebisses sowie einer Röntgenuntersuchung der Hand.

Das Problem: Laut der Röntgenverordnung des Bundes sind solche Untersuchungen wegen der Gesundheitsrisiken nur zulässig, wenn es dafür einen medizinischen Grund gibt.

Wie reagiert die Politik?

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat einen härteren Umgang mit straffälligen minderjährigen Flüchtlingen gefordert. "Für mich ist klar, dass kriminelle jugendliche Flüchtlinge häufiger und konsequenter abgeschoben werden müssen", sagte Herrmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er bekräftigte seine Forderung nach einer obligatorischen medizinischen Altersüberprüfung bei jugendlichen Flüchtlingen.

(RP)
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