Publizist kritisiert deutsche Erinnerungskultur Broder: Auschwitz "Disneyland des Todes"

München · Der Publizist Henryk M. Broder hat das Gedenken an die Opfer des Nazi-Terrors in Deutschland scharf kritisiert. In der Gedenkstätte Auschwitz finde teilweise "Gruseltourismus, ein obszönes Disneyland des Todes" statt.

 Der Publizist Henryk M. Broder ist in Deutschland durch zahlreiche Publikationen und TV-Auftritte bekannt geworden.

Der Publizist Henryk M. Broder ist in Deutschland durch zahlreiche Publikationen und TV-Auftritte bekannt geworden.

Foto: WDR/Michael Fehlauer

"Die sogenannte Erinnerungskultur besteht größtenteils aus Wohlfühlritualen für die Nachkommen der Täter, die sich selbst darin bestätigen, wie vorbildlich sie mit der Geschichte umgehen", sagte Broder dem Magazin "Focus".

"Dieses Gedenken hat sich von den Opfern vollkommen entfernt. Es wäre sinnvoll, wenn es zum Nachdenken anregen würde, wie man Menschen helfen kann, die heute verfolgt werden. Aber das ist nicht der Fall."

Am Montag erscheint Broders neues Buch "Vergesst Auschwitz!", in dem er sich mit Erinnerungsritualen, der deutschen Israelpolitik und dem Antisemitismus beschäftigt. In Deutschland sei einiges an Erinnerungsarbeit geleistet worden, räumte er ein.

"Aber heute steht "Auschwitz" eben auch für Selbstabsolution, eine Wellness-Oase für Vergangenheitsbewältigung." Im polnischen Krakau etwa würden an jeder Ecke Besichtigungsreisen nach Auschwitz angeboten. "Das ist Gruseltourismus, ein obszönes Disneyland des Todes. Diese konservierten Baracken sollten abgerissen werden."

In Deutschland sei Antisemitismus seit dem Ende des Dritten Reichs nicht mehr salonfähig, meint Broder. "Die neuen Antisemiten verkleiden sich. Sie maskieren sich als Hüter der unterdrückten Palästinenser, als Friedensfreunde, als Nahost-Experten."

Broder zählt zu den profilierten Meinungsmachern in Deutschland. Er stammt aus einer jüdisch-polnischen Familie und befasst sich seit langem mit dem deutsch-jüdischen Verhältnis. In der Auseinandersetzung um das Berliner Holocaust-Denkmal von Peter Eisenman bezog er Position gegen die "selbstberufenen Deutschmeister des Trauerns".

(dpa)
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