50.000 Urteile in der BRD Bundesrat will verurteilte Schwule entschädigen

Düsseldorf · Der Bundesrat will, dass nach 1945 verurteilte Homosexuelle rehabilitiert werden. Dafür sprach sich die Länderkammer am Freitag aus und forderte die Bundesregierung auf, dazu Vorschläge zu machen.

In diesen Ländern gibt es die Homo-Ehe
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Foto: afp, DM

Direkt im Anschluss an die Beratungen zur finanziellen Situation der Krankenhäuser in Bayern widmete sich der Bundesrat einem besonders heiklen Thema deutscher Geschichte: Tagesordnungspunkt 11 behandelte die Entschädigung verurteilter Homosexueller durch den deutschen Staat aus der Zeit des Nazi-Regimes bis 1969.

Im Kern ging es um einen Antrag der Länder Hamburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen, der am Freitag vor dem Rechtsausschuss des Bundesrates diskutiert wird. In diesem Antrag forderten die Länderchefs die Bundesregierung auf, Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung Homosexueller zu ergreifen, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verurteilt wurden.

Unerlässlich seien etwa die Dokumentation und Erforschung der Strafverfolgung Homosexueller. Die Betroffenen verdienten außerdem Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen, vor allem im Fall einer Traumatisierung.

Paragraph 175 bis zum Jahr 1969

Rückblick: Im Jahr 1935 verschärften die Nationalsozialisten in Paragraph 175 und 175a des Strafgesetzbuches die Gesetzgebung zur strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Handlungen. Diese hatte bis zur Strafrechtsreform von 1969 Bestand. Sämtliche sexuelle Handlungen, einschließlich erotisch interpretierbarer Annäherungen, unter Männern waren strafbar.

Bis zur endgültigen Abschaffung des Paragraphen 175 am 31. Mai 1994 gab es zudem unterschiedliche strafrechtliche Schutzaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen, heißt es in dem Antrag des Landes Berlin vom 27. April 2012.

50.000 Männer verurteilt

Bis zur Strafrechtsreform im Jahr 1969 wurden laut Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten rund 50.000 Männer verfolgt und verurteilt. Für das Gebiet der DDR seien Fallzahlen schwer zu ermitteln. Nachgewiesen wurden 1292 Verurteilungen in den Jahren 1946 bis 1959.

Zudem herrschte bis in die späten 60er Jahre in beiden Teilen Deutschlands ein Klima, das die Ausgrenzung Homosexueller begünstigte. Sowohl Schwule als auch Lesben wurden ins soziale Abseits gedrängt und mussten oftmals ihren Beruf aufgeben. "Über die Verurteilungen hinaus waren weitere Verfahren anhängig. Auch diese Betroffenen wurden in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt", heißt es in dem Antrag weiter.

Im Jahre 2002 wurden pauschal diejenigen Urteile aufgehoben, die unter nationalsozialistischer Herrschaft gegen Homosexuelle ergangen waren. Eine Rehabilitierung steht seither aus.

"Trauriges Kapitel deutscher Geschichte"

Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek: "Die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller ist ein trauriges und beschämendes Kapitel deutscher Geschichte. Bisher wurden nur die entsprechenden Urteile aufgehoben, die unter nationalsozialistischer Herrschaft ergangen sind. Dies ist inkonsequent und widersprüchlich."

Die Forderung der drei antragstellenden Länder: Die Bundesregierung müsse endlich weitere Maßnahmen zur Rehabilitierung der Betroffenen treffen. Kritik kam von der NRW-CDU. Sie stellte Mitte September die Frage, ob ein Parlament rechtskräftige Urteile unabhängiger Gerichte mit einem Schlag aufheben dürfe. Am Freitag könnte der Bundesrat eine Entscheidung fällen.

(nbe)
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