Besoldungsgruppe von Richtern Beamte blicken gespannt nach Karlsruhe

Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht prüft am Mittwoch, ob Richter und Staatsanwälte Anspruch auf höhere Gehälter haben. Auch Spitzenpersonal aus NRW hat geklagt. Es steht viel auf dem Spiel. Entweder die Besoldung steigt oder die guten Leute wandern in die Wirtschaft ab. Die Zahl der Fehlurteile könnte steigen. Zudem dürfte das Verfahren Signalwirkung für andere Beamtengruppen haben.

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Die Kläger der acht Ausgangsverfahren aus drei Bundesländern machen geltend, dass ihre Besoldung seit langem hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurückgeblieben sei. Hintergrund der Klagen ist die Abschaffung der bundeseinheitlichen Richterbesoldung Ende 2006. Seitdem zahlen die Länder unterschiedlich und je nach Kassenlage. Das im Frühjahr erwartete Urteil könnte bundesweit von Bedeutung sein und etwa 20.000 Richter und 5000 Staatsanwälte betreffen.

Nach einer Reihe von Klagen von Richtern und Staatsanwälten aus mehreren Bundesländern wie auch NRW muss geklärt werden, ob die Besoldung in der Justiz so weit abgerutscht ist, dass sie der Verfassung widerspricht. "Richter und Staatsanwälte müssen unabhängig entscheiden können", sagt Christian Friehoff, Vorsitzender des Richterbundes in Nordrhein-Westfalen, "das muss durch eine angemessene Besoldung abgesichert sein."

Dabei steht viel auf dem Spiel: Erklärt Karlsruhe die Besoldungen als fragwürdig, müsste die Besoldung bundesweit und auch für rund 5300 Richter und Staatsanwälte in NRW deutlich steigen. Akzeptiert das Gericht die Gehälter, könnte dies dazu führen, dass in Teilen der Justiz etwas schwächeres Personal arbeitet - die Zahl der Fehlurteile könnte steigen. "Ohne Spitzenleute funktioniert die Justiz schlechter", warnt Peter Biesenbach, Abgeordneter der CDU-Fraktion im NRW-Landtag, "da ist ein falsch verstandener Sparkurs riskant."

Das Hauptproblem ist die Entwicklung der Gehälter im Vergleich zur Privatwirtschaft. So erhält ein lediger Richter oder Staatsanwalt am Anfang der Kariere 3653 Euro brutto, was auf rund 2600 Euro netto hinausläuft. In großen Kanzleien in Düsseldorf wird oft das Doppelte gezahlt. Thomas Posegga als einer der klagenden Juristen erhält als Vorsitzender Richter am Landgericht Duisburg zwar 5718 Euro im Monat, aber mit seinem Spitzenexamen wäre in der Privatwirtschaft mit nun 43 Jahren deutlich mehr drin. "Umgerechnet auf meine Arbeitszeit von faktisch 46 bis 48 Stunden komme ich auf unter 20 Euro netto pro Stunde", berichtet er, "ein Spitzengehalt ist das nicht."

Dabei müssen die Kläger einräumen, dass ihre Altersversorgung gut ist. Aber eine Untersuchung der Personalberatung Kienbaum zeigt, dass gute Anwälte im Jahr oft 110 000 Euro in Kanzleien verdienen, ein Richter oder Staatsanwalt erhält nach Beförderung in die zweite Stufe mit 45 Jahren maximal 90 000 Euro. Das Ergebnis? In Köln und Düsseldorf als attraktiven Städten gibt es weiterhin genügend Bewerber, um fast nur Prädikatsjuristen zu Staatsanwälten und Richtern zu machen, in Hamm hat schon jeder dritte junge Staatsjurist einen schlechteren Abschluss.

Bis 2006 wurden alle Richter und Staatsanwälte nach einem bundesweiten Tarif bezahlt. Im Rahmen der Föderalismusreform sind nun die Länder für die allermeisten Angehörigen dieser Berufsgruppen zuständig. Der Bund zahlt die Gehälter für die Bundesrichter und Bundesanwälte.

Wie Beamte auch können Richter und Staatsanwälte ihr Gehalt nicht frei aushandeln. Sie haben zwar Privilegien, dürfen zum Beispiel aber nicht streiken. Das Grundgesetz schreibt daher vor, dass Beamte nach dem "Alimentationsprinzip" bezahlt werden. Das heißt, ihr Dienstherr muss ihnen und ihrer Familie lebenslang einen angemessenen Lebensunterhalt garantieren. Was das ist, sagt das Grundgesetz aber nicht genau.

Das Bundesverfassungsgericht hat daher einmal festgestellt, dass bei der Besoldung "die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung" zu berücksichtigen sind.

Fragen und Antworten

Wer hat geklagt?

Den Verfassungsrichtern liegen mehrere Anfragen von Verwaltungsgerichten vor. Dort ging es um die Klagen von Richtern und Staatsanwälten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die Kläger wehren sich gegen Kürzungen des Weihnachtsgeldes und die ihrer Ansicht nach insgesamt zu geringen Gehälter.

Warum haben die Verwaltungsgerichte ihre Fälle Karlsruhe vorgelegt?

Die Verwaltungsrichter sind der Meinung, dass diese Berufsgruppen so schlecht bezahlt werden, dass es schon verfassungswidrig ist. Das Verwaltungsgericht Halle spricht etwa davon, dass sich die Besoldung hier "greifbar" von den Gehältern vergleichbarer Posten in der Wirtschaft abgekoppelt hat.

Wie haben sich die Gehälter der Richter und Staatsanwälte entwickelt?

Aufgrund der klammen Länderkassen gab es in den letzten Jahren Kürzungen von Sonderleistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld.
Gehaltsanpassungen gab es zum Teil nur geringe oder gar keine.

Wie will sich das Gericht ein Bild von der Lage machen?

Um die finanzielle Lage der Richter und Staatsanwälte beurteilen zu können, hat das Verfassungsgericht große Mengen an Material zusammengetragen und will den ganzen Mittwoch mündlich verhandeln.
Dabei wird es um die allgemeine Lohnentwicklung sowie die Anforderungen der Richter und Staatsanwälte im Beruf oder das Ansehen der Justiz insgesamt gehen. Auch Privilegien wie etwa eine großzügige Pension werden eine Rolle spielen.

Nun aber mal in harten Zahlen: Was verdient ein Richter?

Das lässt sich generell nicht sagen. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes bekommt ein lediger Berufsanfänger im Saarland brutto zum Beispiel 3235 Euro, einer in Hamburg dagegen 4052. In Bayern bekommt ein solcher Berufsanfänger 3860 Euro. Wie sich das Gehalt weiterentwickelt, richtet sich nach Berufserfahrung, Karriere, Familienstand.

Was kann Karlsruhe machen?

Die Verfassungsrichter haben nur ein eingeschränktes Prüfrecht. Den Ländern steht bei der Bezahlung seiner Beamten ein großer Gestaltungsspielraum zu.

Kann Karlsruhe genaue Verdienstzahlen vorgeben?

Das wäre wohl nicht sachgerecht. Der Deutsche Richterbund (DRB) ist auch schon mit weniger zufrieden: "Wir erhoffen uns aus Karlsruhe das deutliche Signal, dass es so wie bisher nicht mehr weiter geht, weil eine amtsangemessene Alimentation unseres Erachtens schon seit langem nicht mehr gewährleistet ist", sagt Oliver Sporré vom DRB.

Richter entscheiden hier über Richter - geht das gut?

Dieses Verfahren ist auf alle Fälle eine heikle Angelegenheit für den Berichterstatter und Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle und seine sieben Kollegen. Schnell kann der Verdacht aufkommen, sie würden in eigener Sache entscheiden. Sie alle sind jedoch Bundesrichter und werden nach einer anderen Kategorie bezahlt.

Betrifft das Verfahren überhaupt viele?

Zunächst einmal dürften die bundesweit etwa 20 000 Richter und 5000 Staatsanwälte betroffen sein. Dann könnte das Urteil Signalwirkung für andere haben, da das Alimentationsprinzip genau so für die Beamten gilt. Dem Verfassungsgericht liegt auch eine Klage der Polizei aus Nordrhein-Westfalen vor. Hier geht es um richtig viel Geld.

Kommt am Mittwoch auch ein Urteil?

Nein, ein Urteil ist erst im nächsten Frühjahr zu erwarten.

Mit Material von dpa

(RP dpa)
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