Spielzeug-Klassiker Carrera-Rennbahn auch schon 50

Düsseldorf · 1963 brachte die Firma Neuhierl die Carrera-Rennbahn auf den Markt. Die Faszination für die legendären Elektro-Flitzer wirkt bis heute nach. Doch vor 50 Jahren war ein solch großer Erfolg keineswegs absehbar.

 Ein Klassiker für Jung und Alt: Die Carrera-Bahn.

Ein Klassiker für Jung und Alt: Die Carrera-Bahn.

Foto: dpa

In meiner Kindheit existierten zwei Lager — das eine setzte auf die Modelleisenbahn, das andere auf die Carrera-Bahn. Wer zu welchem Lager gehörte, war eine Glaubensfrage, der Graben dazwischen unüberwindbar, die Parteien unversöhnlich. Während bei der Eisenbahn neben anderen Märklin die Marke der Wahl war, gab es unter den Rennsportfreunden nur Carrera. Und sonst nichts.

Schon der Name ist ein Versprechen

Schon der Name Carrera war ein Versprechen — auf Temporausch, Nervenkitzel, Kräftemessen. Boxenluder kannte ich damals noch nicht, sie hätten mich auch nicht interessiert. Ich war süchtig nach dem Geruch von verbranntem Gummi, nach dem Heulen der Elektromotoren und nach dem heiß laufenden Steuergerät in meiner Hand. Meine Droge hieß Carrera, und ich Jochen Rindt oder Jackie Stewart. Mit dem Unterschied, dass ich jeden Weltmeistertitel holte — oder fast jeden. Denn ich hatte einen gnadenlosen Gegner auf der Plastik-Piste: meinen Vater, den Kurven-König.

Dass das damals in Nürnberg ansässige Unternehmen Neuhierl mit der Carrera-Bahn 1963 einen solchen Knüller landen würde, war nicht abzusehen. Aber die Elektroflitzer schlugen ein wie der im selben Jahr erstmals präsentierte Porsche 911 in der Sportwagenlandschaft. Neuhierl baute die Rennwagen der Saison im Maßstab 1:32 detailgetreu nach, vom Lotus Climax über den Ferrari Tipo 156 bis zum BMW F2.

Streckenabschnitte aus Plastik

Auf den Maßstab anspielend, hieß die erste Bahn "Carrera 132 Universal", verpackt in einem großen Karton mit Rennwagen auf dem Deckel. Darin lagen, fein säuberlich übereinander gestapelt, die Streckenabschnitte aus Plastik, gerade Stücke und gebogene für die Kurven. Es dauerte nicht lange, bis man den Kurs — eine Acht — zusammengesteckt hatte. Dann wurden die Autos mit ihrem unter dem Chassis angebrachten Leitkiel behutsam in die Führungsschienen gesetzt. Ab jetzt lief der Countdown: Trafo anschließen, Steuergeräte einstöpseln, Regler hochdrehen. Abfahrt. Das Kunststück bestand darin, in den Kurven das Tempo so weit zu drosseln, dass man nicht rausflog, aber auch noch genau Saft auf die Schiene zu bringen, um im Rennen zu bleiben. Wer das beherrschte, war der Kurven-König, und allein das entschied über Sieg und Niederlage. So vergingen etliche Sonntagnachmittage neben der Carrera-Bahn auf dem Boden liegend, die Steuerung in der Hand, das Summen der Rennwagen im Ohr, allein konzentriert auf das Duell der Boliden.

Palette erweitert

Neuerdings gibt es auch Handregler, die ihr Signal per Funk an die Autos übertragen. Die frühere Drei-Leiter-Technik ist durch Zwei-Leiter-Bahnen ersetzt worden, das Carrera-Programm bietet 150 Fahrzeuge in drei Maßstäben für fünf Systeme. Um sich am Markt zu behaupten und auch im digitalen Zeitalter Kinder von der Spielzeugkonsole an die Plastikrennbahnen zu locken, musste das Unternehmen die Palette erweitern. Zwischenzeitlich sah es sehr schlecht aus für die Firma, 1985 steuerte sie in den Konkurs. Andreas Stadlhuber übernahm die Marke 1999, weil er "dem Kind im Manne vertraute". Zu recht. Denn der Zauber von damals ist heute nur zum Teil verflogen. In Vereinen wird das sogenannte Slot-Racing als Wettbewerbsport betrieben.

Die Rennstrecken sind oft fest installiert und besitzen sechs oder mehr parallele Spuren, die Meisterschaft "Carrera Challenge" zählt jährlich bis zu 6500 Teilnehmer. Miniaturrennwagen per Strom über Plastikbahnen zu jagen, fasziniert also immer noch. Dementsprechend werden auch heute viele Väter ihren Söhnen eine Carrera-Bahn unter den Baum legen — gierig darauf, die erste Kurve zu fressen.

(RP)
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