Atommüll im Wendland Castor-Transport erreicht Gorleben

Gorleben (RPO). Mit reichlich Verspätung hat der Atommülltransport ins niedersächsische Zwischenlager in Gorleben in der Nacht zum Dienstag sein Ziel erreicht. Um 0:17 Uhr passierte der Tieflader mit dem ersten der elf Atommüllbehälter das Tor des Transportbehälterlagers. Die letzte Passage verlief nach Angaben eines Polizeisprechers reibungslos. Dennoch handelte es sich nach Angaben der Atomkraftgegner um den zeitintensivsten der seit 1995 nach Gorleben stattfindenden Transporte.

2008: Massive Proteste gegen Atommüll-Transporte
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2008: Massive Proteste gegen Atommüll-Transporte

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Im Zuge der massivsten Proteste von Atomkraftgegnern seit Jahren mussten die bereits seit dem Mittag beladenen Tieflader mehrere Stunden im Verladebahnhof auf ihre Abfahrt warten. Durch Blockadeaktionen waren sowohl Nord- als auch Südroute blockiert. Im Ort Grippel, den der Atommülltransport auf dem Weg ins Zwischenlager Gorleben in jedem Fall passieren muss, hatten sich jeweils vier Landwirte der Bäuerlichen Notgemeinschaft an zwei ein Meter hohe Betonpyramiden auf der Dorfstraße festgemacht.

Man sei sich bewusst, mit der symbolischen Aktion den Atomtransport nicht aufhalten zu können, sagte die Sprecherin der Initiative, Monika Tietke. Mit ihrer Aktion wollten sie auf die "verkehrte Atompolitik" aufmerksam machen. Erst nach mehr als acht Stunden hatten Einsatzkräfte alle Aktivisten "befreit".

Polizeieinsatz teurer als erwartet

Der Polizeieinsatz zur Begleitung des Atommüllransports war in diesem Jahr aufwendiger und schwieriger als 2006. "Wir sind auf deutlich mehr gewaltbereite Demonstranten gestoßen", sagte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Er müsse eine Ausweitung der Kosten befürchten. Bisher seien 20 Millionen Euro geschätzt worden.

"Meine Forderung bleibt, dass Niedersachsen nicht allein auf den Kosten sitzenbleiben darf. Die anderen Länder sollten sich beteiligen", sagte Schünemann. Schließlich erfülle die Polizei mit dem Schutz der Castor-Transporte eine bundesweite Aufgabe.

Sitzblockade mit 1000 Demonstranten geräumt

Nach insgesamt rund 48 Stunden Dauer hatte bereits am Montagnachmittag ein Großaufgebot der Polizei direkt vor dem Zwischenlager eine Sitzblockade geräumt, an der sich bis zu 1000 Demonstranten beteiligten. Beamte brachten die Teilnehmer hinter eine Absperrung und verzichteten nach Angaben der Polizei auf Ingewahrsamnahmen, weil es nur darum gegangen sei, die Transportstrecke freizubekommen.

Am Montagabend räumten Polizisten schließlich auch eine Blockade durch rund 40 Traktoren in Quickborn. Daneben starteten Demonstranten während des gesamten Abends entlang der Strecke immer wieder neue Blockadeversuche. Noch kurz bevor die Tieflader in Dannenberg starteten, versuchten Atomkraftgegner bei Laase erneut auf die Transportstrecke zu gelangen. Dies verhinderten Polizeikräfte durch den Einsatz von Wasserwerfern.

Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) aufgefordert, konkrete Alternativen für den Standort Gorleben vorzulegen. Es reiche nicht, lediglich gebetsmühlenartig eine alternative Standortsuche zu fordern, "ohne selbst einen Vorschlag zu machen, in welche Richtung es gehen könnte", sagte Sander der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Sander warf der Bundesregierung vor, in der Frage der atomaren Endlagerung nicht weiter vorangekommen zu sein als die Vorgängerregierung. "Seit zehn Jahren treten wir auf der Stelle. Wir brauchen jetzt eine weitere Erkundung Gorlebens und gleichzeitig einen konkreten Vorschlag für eine Alternative."

Söder fordert Gorleben als Endlager freizugeben

Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) forderte Gabriel hingegen auf, umgehend den Salzstock Gorleben als Atommüll-Endlager freizugeben. Söder sagte der "Berliner Zeitung", es müsse eine rasche Lösung geben. "Es gibt keinen überzeugenden fachlichen Grund, das noch einen Tag hinauszuzögern." Gorleben sei ein geeigneter Endlager-Standort. Dies habe gerade wieder ein wissenschaftliches Gutachten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bewiesen.

Außerdem seien dort schon 1,5 Milliarden Euro investiert worden. "Eine Abkehr wäre ökonomisch und ökologisch nicht verantwortbar", sagte Söder. "Jetzt von Gorleben wegzugehen, bedeutet, nach einem Richtfest das Haus wieder aufzugeben und nach einem neuen Grundstück zu suchen."

(afp)
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