Interview mit Gorch-Fock-Kommandant Nils Brandt "Das Meer ist unberechenbar"

Kiel · Fregattenkapitän Nils Brandt (48) ist der neue Kommandant der "Gorch Fock", die am 2. Oktober wieder auf Auslandsreise geht.

  Fregattenkapitän Nils Brandt (48 Jahre alt) ist der neue Kommandant des Segelschulschiffs. Bereits als junger Kadett ist er auf der Gorch Fock gewesen. Er ist stolz darauf, nun das Schiff führen zu dürfen.

Fregattenkapitän Nils Brandt (48 Jahre alt) ist der neue Kommandant des Segelschulschiffs. Bereits als junger Kadett ist er auf der Gorch Fock gewesen. Er ist stolz darauf, nun das Schiff führen zu dürfen.

Foto: Helmut Michelis

Herr Kapitän, die "Gorch Fock" geht wieder auf große Fahrt. Wohin führt die Reise?
Nils Brandt Von Kiel aus über La Rochelle nach Malaga. Dort wird wieder ein Crew-Wechsel und eine Segelvorausbildung für die Neuen stattfinden. Und dann geht es über Lissabon zurück nach Kiel.

Wieso haben Sie diese Route gewählt?
Brandt Wir wollen in der Ausbildung in einem moderaten Umfeld möglichst wenig wetterbedingte Ausfallzeiten haben, bevor es dann im November durch die Biskaya, die Nordsee und das Skagerrak zurück nach Kiel geht. Dort kann es dann schon recht rau zugehen, das ist kein Zuckerschlecken für Seeleute. Bis dahin muss die Crew fit sein.

Was bedeutet es für Sie, Kommandant des einzigen Segelschulschiffs der Marine zu sein?
Brandt Grundsätzlich ist es etwas Besonderes, ein Schiff oder Boot der Marine führen zu dürfen. Aber auf der "Gorch Fock" hat meine seefahrerische Laufbahn als junger Kadett begonnen, und nun schließt sich für mich als Kommandant ein Kreis. Segeln hat mich schon als Kind begeistert. Hier in Kiel-Schilksee habe ich als kleiner Junge mit einem Opti, einem kleinen Boot, gelernt, das mir mein Großvater geschenkt hatte.

Zugegeben ein tolles Hobby. Aber braucht die Marine im Computerzeitalter noch einen Windjammer aus einer längst vergangen Epoche?
Brandt Ja. Denn das Segelschiff bietet die einzigartige Plattform, Erfahrungen zu vermitteln, die heutzutage immer mehr in den Hintergrund rücken. Hier werden die jungen Offizieranwärter nicht das Segeln lernen, aber Teamwork. Einer allein kann das Schiff nicht fahren. Alle müssen an einem Tampen ziehen, nicht nur sprichwörtlich. Hier stellt jeder fest, ob er in der Takelage oder an Deck seine Funktion wahrnimmt: Es geht nur gemeinsam, einer muss dem anderen vertrauen. Auch lernen die Offizieranwärter, was sie ihren zukünftigen Besatzungen im engen Zusammenleben an Bord zumuten können. Denn hier erleben sie es hautnah selbst. Die Ausbildung auf der "Gorck Fock" ist vor 55 Jahren zeitgemäß gewesen und ist es heute genauso.

Apropos Smartphone, Notebook und Internet: Trifft die allgemeine Kritik zu, junge Leute seien heute grundsätzlich nicht mehr so fit wie früher?
Brandt Das kann ich nicht bestätigen. Die Zahlen, die wir von der Marineschule bekommen, zeigen keine großen Unterschiede. Die sehe ich auch bei unseren 115 Kadetten an Bord nicht. Natürlich müssen die Offizierbewerber Prüfungen bestehen, völlig Unsportliche fallen vorher durch. Aber die sechs Wochen zu Beginn des Offizierlehrgangs an der Marineschule reichen aus, um eine grundsätzliche körperliche Fitness zu erlangen.

Gehen Sie noch hoch in die Wanten?
Brandt Es war mir wichtig, meine Toppstauglichkeit, die offizielle Enterbefähigung, mit einer Prüfung wiederzuerlangen. Es ist zwar nicht mein Aufgabenbereich, ich bin für die Schiffsführung insgesamt verantwortlich. Aber ich kann in Einzelfällen jungen Kameraden, die Angst haben, beispielhaft zeigen: Wenn dass hier der Zweitälteste an Bord macht, dann kannst Du das auch.

Müssen alle Kadetten hoch?
Brandt Da wird Rücksicht genommen. Wir brauchen auch Personal an Oberdeck. Andererseits: Es gilt, bei Aufentern in der Takelage einen inneren Schweinehund zu überwinden. Wer das schafft, kommt mit ganz breitem Kreuz zurück. Unser Bestreben ist natürlich schon, dass die Kadetten lernen, diese Hürde zu überwinden. Aber auch jetzt haben wir wieder mehr Enterwillige und -taugliche, als wir überhaupt in der Takelage einsetzen können. So gibt es keine Einschränkungen in der Handhabung des Schiffes.

Die Gorch Fock - Schulschiff der Deutschen Marine
15 Bilder

Die Gorch Fock - Schulschiff der Deutschen Marine

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Nach den zwei tödlichen Unfällen 2008 und 2010 ist diese Form der Ausbildung in die Kritik geraten, das Schiff durfte sogar zunächst monatelang nicht mehr den Hafen verlassen. Fährt heute noch immer ein Schatten mit?
Brandt Wir haben unsere Lehren gezogen. Die Sicherheitsstandards wurden erhöht, die Fitnessausbildung ist verbessert worden. Ein positiver Schritt war die Errichtung eines Übungsmastes an der Marineschule in Flensburg-Mürwik. Das Gewöhnungsklettern gibt den jungen Kadetten Sicherheit. Sie gehen ganz anders in die Takelage. Trotzdem gilt: Das Meer ist unberechenbar. Wir sind nach wie vor Spielball der Naturgewalten. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Helmut Michelis führte das Interview.

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