Nach Razzia in der Neonazi-Szene Das rechtsextreme Netz in NRW

Düsseldorf · Mehrere Durchsuchungen, drei Festnahmen – die Razzien gegen Neonazis rücken auch Pro NRW wieder in den Mittelpunkt. Die islamfeindliche Splitterpartei steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Doch sie ist nicht die einzige Vereinigung, die in NRW beobachtet wird.

April 2012: Razzia bei Neonazis und "Pro NRW"
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Mehrere Durchsuchungen, drei Festnahmen — die Razzien gegen Neonazis rücken auch Pro NRW wieder in den Mittelpunkt. Die islamfeindliche Splitterpartei steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Doch sie ist nicht die einzige Vereinigung, die in NRW beobachtet wird.

Einer der am Mittwoch Festgenommen gehört dem rechtsextremen "Freundeskreis Rade" an, die beiden anderen Pro NRW, wie die Beamten mitteilten. Es gebe, so hieß es auf einer Pressekonferenz, Verbindungen zwischen dem "Freundeskreis" und der Splitterpartei — und die seien klar organisiert. Kontakte zu den Rechtsextremen hatte Pro NRW bislang immer verneint.

Sowohl die antifaschistische Zeitung aus NRW, "Lotta", als auch der WDR berichten, dass mehrere Mitglieder des "Freundeskreises Rade" für Pro NRW als sachkundige Bürger im Stadtrat von Radevormwald sitzen. Der "Freundeskreis" wiederum, so berichtet "Lotta", sei in der Vergangenheit vermehrt gewaltsam gegen Migranten und Linke vorgegangen.

Anstieg der Gewalt um 23 Prozent

Dass die rechten Gewalt in NRW in der vergangen Zeit angestiegen ist, wurde im Februar durch eine Kleine Anfrage der Grünen im Landtag bekannt. Nach einem Bericht des "Spiegel" wurden 2011 fast 23 Prozent mehr rechtsgerichtete Gewaltdelikte als im Vorjahr verzeichnet. Bundesweit lag der Anstieg nur bei rund drei Prozent.

Demnach gibt es vor allem in Dortmund, Wuppertal, Aachen, Siegen und Hamm Gruppen gewaltbereiter Neonazis mit hohem Mobilisierungsgrad. Das sind auch die Regionen, die im Verfassungsschutzbericht des Landes von 2010 ausdrücklich erwähnt werden.

Die Neonazis in NRW, so heißt es in dem Bericht, seien wegen vereinsrechtlicher Verbote in den 90er Jahren vor allem in sogenannten freien Kameradschaften organisiert. Doch seit 2005 organisierten sich die Rechtsextremen immer weniger in den traditionell bekannten Kameradschaften. Dieser Trend habe sich auch 2010 fortgesetzt. "Die Szene wird heterogener und für die Ermittler damit schwerer zu fassen", hatte auch Volker Eichener, Professor für Politikwissenschaft an der FH Düsseldorf, im Januar gegenüber unserer Redaktion gesagt.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes vom Mai 2011 gibt es in NRW rund 3700 Rechtsextreme, der Bericht aus dem Jahr 2010 verzeichnet 640 gewaltbereite. Und der größte Teil von ihnen sei nicht in festen Strukturen organisiert.

Kameradschaften zwischen Aachen und Dortmund

Der Verfassungsschutz sieht dennoch vier Schwerpunktgebiete in Bezug auf den Rechtsextremismus in Köln. Da ist zum einen Aachen, wo die "Kameradschaft Aachener Land" aufgeführt wird. Diese ist demnach 2002 aus dem NPD-Kreisverband entstanden und lehnt den Staat und die Sicherheitsbehörden ab. Im Bericht 2010 wird die Vereinigung als sehr aktiv beschrieben.

Ähnliches gilt demnach auch für den Raum Dortmund. Seit Jahren sei dort die "Kameradschaft Nationaler Widerstand Ruhrgebiet" aktiv, die auch für mehrere große Demonstrationen verantwortlich sei. Die führenden Aktivisten zählt der Verfassungsschutz zudem zu den Autonomen Nationalisten. Diese Gruppierung, so heißt es im Bericht, habe sich 2010 oft das "Recht auf Selbstverteidigung" zu Eigen gemacht.

Als recht klein angesehen wird dagegen die "Kameradschaft Walter Spangenberg" in Köln, die nach längerer Zeit 2009 wieder aktiv geworden sei. Im Rhein-Sieg-Kreis wiederum nennt der Bericht die "Freie Kameradschaft Sturm-Rhein-Sieg". Ansonsten gebe es verschiedene lokale Aktionsformen, heißt es in dem Bericht.

1,4 Prozent für Pro NRW bei Landtagswahl

Ähnliche Schwerpunkte insbesondere in Bezug auf Aachen und Dortmund sahen auch Heiko Klare und Michael Sturm von Mobim, der Mobilen Beratung in Münster im Jahr 2010, wie sie damals auf dem Portal netz-gegen-nazis.de berichteten. Aufgefallen sei ihnen aber auch die Herausbildung von rechtsextremen Jugendszenen auch in kleineren Städten und ländlichen Regionen.

"Auffallend ist, dass man die Szenen nicht mehr auf bestimmte Städte eingrenzen kann", hieß es auf der Webseite. Oft seien es nur kleine Szenen vor Ort oder Einzelaktivisten, aber die seien bisweilen gut vernetzt und mobilisierungsfähig.

Eine gute Vernetzung scheint es nun auch zwischen dem "Freundeskreis Rade" und der rechtspopulistischen Partei Pro NRW gegeben zu haben. Letztere konnte bei der vergangenen Landtagswahl immerhin 1,4 Prozent der Wählerstimmen holen — deutlich mehr als die rechtsextreme NPD.

(das)
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