Neuer Trend Hobby Horsing Das Steckenpferd der Finninnen

Düsseldorf/Helsinki · In Finnland hat sich in den vergangenen Jahren eine skurrile Sportart entwickelt: Hobby Horsing. Dabei reiten vor allem junge Mädchen auf selbstgebastelten Steckenpferden durch Turnhallen und messen sich in Springen und Dressur.

 Das sind Eeva Repo und ihr Steckenpferd Lorun loppu in Aktion.

Das sind Eeva Repo und ihr Steckenpferd Lorun loppu in Aktion.

Foto: dpa, aku kno

Es ist ein kurioses Bild: Junge Mädchen bewegen sich mit eleganten Tippelschritten mit einem Steckenpferd zwischen den Beinen durch finnische Turnhallen. Manchmal galoppieren sie auch, springen wie echte Pferde über Hindernisse. Der Sport, der seit einigen Jahren im Norden praktiziert wird, nennt sich Hobby Horsing. 10.000 Finninnen sollen sich der Sache schon verschrieben haben, gerade erst wurde die finnische Meisterschaft nahe Helsinki ausgetragen - ehrenamtlich organisiert.

Der Sport mit Gymnastik-Elementen hat sich vor allem über die Sozialen Medien unter den weiblichen Teenagern ausgebreitet. Wie beim echten Reiten gibt es auch beim Hobby Horsing verschiedene traditionelle Disziplinen wie Dressur oder Springen, in denen sich die Teilnehmer messen. Juroren achten auf Technik und bewerten die erbrachte Leistung.

Mit Pferdesport habe das Ganze jedoch wenig zu tun, findet die Deutsche Reiterliche Vereinigung. "Wir freuen uns, wenn sich Kinder mit dem Thema Pferd beschäftigen, als Sportfachverband steht für uns aber der Sport mit Menschen und echten Pferden im Mittelpunkt", heißt es von der Vereinigung. Fred Sundwall, Generalsekretär des finnischen Reiterverbandes, sieht das ein wenig anders. "Wir finden es einfach wunderbar, dass Hobby Horsing ein Phänomen und so populär geworden ist", sagt er. "Es gibt den Kindern und Teenagern, die keine Pferde haben, die Chance, mit ihnen auch außerhalb von Ställen und Reitschulen zu interagieren."

Hobby Horsing ist allerdings nicht an die finnischen Sportverbände angeschlossen, der Austausch der Anhänger erfolgt vor allem über das Internet. In Foren wird über den Sport diskutiert. Die Fotos und Videos werden über Instagram und YouTube ausgetauscht. Anhänger sind vor allem stolz auf den ausgeprägten Do-it-yourself-Aspekt ihres Sports: Fast jedes Steckenpferd wird liebevoll selbst gebastelt. Die Pferde werden gepflegt und abends sorgsam in den Schrank gestellt. Bei Veranstaltungen sind kaum industriell gefertigte Pferde zu sehen. Diese hätten ein deutlich geringeres Ansehen in der Szene, sagt Venla-Maria Uutela von der Steckenpferd-Gesellschaft in Helsinki.

 Die Steckenpferde der Konkurrenz.

Die Steckenpferde der Konkurrenz.

Foto: dpa, aku kno

"Die Freiheit, selbst etwas zu erschaffen, und die Vorstellungskraft sind zentrale Gründe dafür, warum Menschen mit dem Hobby Horsing beginnen", sagt Alisa Aarniomaki. Die 20-Jährige gehört zu den Steckenpferd-Fanatikern der ersten Stunde. Sie trägt eine schwarze Lederjacke, rotgefärbte Haare und Tattoos auf dem Arm. Inzwischen ist sie eine Veteranin, nimmt nicht mehr aktiv an Wettbewerben teil, organisiert aber Veranstaltungen. "Hobby Horsing hat eine starke therapeutische Ausrichtung", sagt sie. Der Sport habe ihr geholfen, mit Problemen klarzukommen wie der Scheidung ihrer Eltern oder Mobbing an der Schule. "Ich habe eine Menge Ärger hinter mir und kämpfe noch immer mit einigen Dingen", sagt sie.

Hobby Horsing habe dazu beigetragen, ihre Seele wieder ins Gleichgewicht zu bringen. In der Dokumentation "Hobbyhorse Revolution", die im März in Finnland erschienen ist, erzählt auch ein anderes Mädchen, dass Hobby Horsing ihr in der Zeit nach der Scheidung der Eltern Kraft gegeben habe. In dem Film sind mehrere Mädchen zu sehen, die einiges durchmachen: Vor allem im Freundeskreis und bei Mitschülern wird ihr Hobby noch oft als Kinderkram abgestempelt. Doch die Mädchen ziehen Kraft daraus, dass sie sich nicht unterkriegen lassen und zusammenhalten. Vor Kurzem sind Dutzende in einer Steckenpferd-Parade mitten durch die Straßen von Helsinki gezogen.

Auch in anderen skandinavischen Ländern ist der Sport inzwischen populär. Bis nach Deutschland hat er es allerdings noch nicht geschafft. Vielleicht wird der Sport hier am Ende vor allem eines bleiben: ein kurioses Hobby.

(RP)
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