Polizeifunk im Netz veröffentlicht Der Twitter-Gaffer von Schwalmtal

Düsseldorf (RPO). Ein User des Internetdienstes Twitter hat während des Familiendramas in Schwalmtal im Minutentakt den Polizeifunk mitgeschrieben und im Netz veröffentlicht. Selbst die massive Kritik von anderen Usern konnte ihn von seinem gefährlichen Tun nicht abhalten. Inzwischen hat er seinen Zugang bei Twitter gelöscht und sich entschuldigt. Ein Stück Mediengeschichte hat er dennoch geschrieben.

Was beim Familiendrama in Schwalmtal geschah
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Was beim Familiendrama in Schwalmtal geschah

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Internet-User und Journalisten haben sich daran gewöhnt: Mit Twitter dreht sich die Welt noch schneller. Über den Webdienst geben User in maximal 140 Zeichen üblicherweise Momentaufnahmen ab. Es geht darum ein Stück Jetzt einzufangen. In Echtzeit schickt der User seine Beobachtung in die Weltöffentlichkeit. Der Inhalt: erstmal Nebensache.

Bei großen Medienereignissen wie etwa den Protesten im Iran, der Wahl des Bundespräsidenten oder dem Tod von Michael Jackson haben die Twitterer den klassischen aktuellen Medien Internet, Radio oder Fernsehen in Sachen Schnelligkeit den Rang abgelaufen. Twitter, das ist Echtzeit. Problem bei der Sache: Was da geschrieben wird, bleibt ungefiltert und niemand kann seinen Wahrheitsgehalt überprüfen.

Und: Niemand kann einen Twitterer kontrollieren.

Das — so zeigt sich nun im Zusammenhang mit dem blutigen Familiendrama von Schwalmtal - erweist sich als eine hässliche Ausgeburt der Freiheiten im Netz. Unter dem Benutzernamen JO31DH leitete ein User den Polizeifunk quasi ungefiltert ins Netz weiter. Die ganze Welt durfte mitlesen, was sich beim SEK-Einsatz vor dem Haus abspielte, in dem ein Mann (unsere Redaktion berichtete) mehrere Menschen erschoss. JO31DH machte öffentlich, was die Polizei intern besprach, um Menschenleben zu retten. Augenzeuge ist er nicht. Wohl aber ein Funk-Voyeur.

Dass das Abhören, geschweige denn Veröffentlichen des Polizeifunks eine Sache für den Staatsanwalt ist, dass er mit seinem Twitterwahn möglicherweise den SEK-Einsatz und damit das Leben von Menschen gefährden könnte — JO31DH war das an diesem Abend egal. "Geh sterben", bedrohte er einen User, der ihn wegen seiner Polizeifunk-Mitteilungen kritisierte. Andere Mahner bügelte er mit Verweis auf die Meinungs- und Pressefreiheit ab. "Ich werde weiterhin live berichten!!", schrieb er trotzig. Zu spannend war wohl die plötzliche Unmittelbarkeit des Geschehens und der plötzliche Ruhm im Netz. Denn innerhalb von wenigen Minuten war das Internet auf den Twitterer von Schwalmtal aufmerksam geworden.

Journalisten, Medienblogger, interessierte User — unversehens hatte JO31DH, der sonst über Borussia Mönchengladbach oder Fahrten zum Düsseldorfer Flughafen bloggt, eine riesige Gefolgschaft.

Amok im Live-Ticker

Wie in einem Live-Ticker verbreitet er das, was er über den Funk mithört. "Polizei gibt im Amoklauf Notvarianten 1 und 2 Frei", "1. Toter im Amoklauf bestätigt", "Hubschrauber wird auf dem Pletschweg landen", schreibt er. Die Aufmerksamkeit wächst von Meldung zu Meldung. Aber auch die Zahl seiner Kritiker. Der Chefredakteur der Rhein-Zeitung, bloggt kritisch über den Vorfall und selbst bei Twitter heißt es "Jetzt sind schon die Twitterer mediengeil."

Noch am Abend setzte sich JO31DH mit rüdem Ton zur Wehr. "Ich bin Presse", schreibt er. "Und jetzt Maul zu." Inzwischen sind die Zweifel des Twitter-Users mit dem großen Geltungsdrang allerdings erheblich gewachsen. Am Mittwochmorgen löschte er seinen Twitter-Account. In der Suche sind die Reaktionen auf sein verantwortungsloses Gezwitscher allerdings noch zu finden. Das Netz vergisst nichts.

Gegen Mittag veröffentlicht der User aus dem Nettetal seine bis dahin letzte Äußerung im Netz. "Ich möchte mich in aller Form entschuldigen", steht in seinem Blog zu lesen. "Man sieht trotz allem, wofür diese Sozial Netzwerke missbraucht werden können. Grundsätzlich fühle ich mich gerade nicht gut. Ich hoffe das bald etwas Ruhe einkehrt und andere nicht diese saudumme Idee nachmachen."

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